Brief ans Universum

MissReveuse

von MissReveuse

Story

Lieber Papa,

Ich weiß weder wie man das Universum richtig kontaktiert, noch wie man dich am besten kontaktieren könnte. Du kennst mich und kennst mich auch nicht. Wie ich so hörte wolltest du mich schon haben, noch bevor ich überhaupt entstand. Du hast mich also mit offenem Herz und offenen Armen willkommen geheißen.

Obwohl du mich herbeigewünscht hast, habe ich keinen einzigen Tag, an den ich mich selbst noch erinnern könnte, mit dir gelebt.

Du hast mich geprägt, wie wahrscheinlich ein jeder Papa seine Kinder prägt. Du aber tatest es auf ziemlich eigene Weise, ganz ohne dabei je physisch anwesend zu sein. Deine Fern-Vaterschaft hat mich dennoch so geprägt, mich geformt und mir unbeabsichtigt sicherlich auch einen Teil meines Charakters vermacht.

Vor ein paar Tagen wäre dein Geburtstag gewesen. Vier Jahre ist es jetzt her, dass ihn keiner mehr feiert. Beinahe genau 2 Monate vor deinem nächsten runden Geburtstag hast du deine Augen für immer geschlossen. Für mich hat sich so vieles verändert seit dem. Eigentlich ist schon lange nichts mehr so wie damals, als wir uns noch schrieben.

Du hast zwei Mal eine Art Leere in mir geöffnet. Das erste Mal ungewollt, wenn ich dem glauben darf. Wenn ich glauben kann was du mir erzähltest. Was so anders war als das was sie mir erzählte. Egal, lang vorbei.

Das zweite Mal war die Leere zu meinem Erstaunen um einiges größer. Komplett unabhängig und weit weg von mir. Ich habe es nicht kommen sehen, ich habe es nicht vorher gefühlt wie Manche erzählen das sie es tun.

Ich hoffe, dass du einfach gingst als deine Zeit gekommen war. Ohne Widerwillen, ohne Reue, ohne Schmerz, ohne langes Zurückblicken oder kämpfen. Ohne Trauer. Vollkommen frei, vollkommen ruhig, mit Zuversicht und offenem Geist. Voller Vertrauen, voller Demut, voll des Glaubens. So wie du zu Lebzeiten vertraut hast, bist du dann hoffentlich auch wieder gegangen.

Wo bist du hin und warst du all die Zeit vorher denn nur? Papa wo bist du, wo gingst du hin, hör ich mich manchmal immer noch leise fragen. Ich weiß es gibt keine richtige Antwort darauf. Ich weiß, dass sich jeder diese Frage stellt, der einen lieben Menschen verliert.

All die Jahre als ich es theoretisch konnte habe ich ein Wiedersehen vor mich hergeschoben. Es gibt nichts zu bereuen. Nichts, vor allem keine Zeit, kommt jemals zurück. Im Augenblick leben, das wollte ich immer schon, das schien mir auch früher schon erstrebenswert. Dein Tod allerdings hat mir die Augen noch weiter geöffnet als ich es mir hätte vorstellen können.

Ich sehe vieles jetzt anders. Die Welt, die Wolken, mein Leben, meine Zeit und meine eigene Endlichkeit. Du hast mich daran erinnert wieviel man sein kann. Für jemanden. Für andere. Für mich. Für dich. Für den Moment.

Du hast mir bewiesen, dass ein paar Briefe, dass ein paar Augenblicke genügen um auf ewig zu prägen. Zumindest mein eigenes „ewig“ lang.

Was ist Ewigkeit eigentlich so? Bist du schon dort oder doch einfach für immer nur fort? Ich werde die Wolken mal fragen…

© MissReveuse 2020-04-09

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