von Patrick Muczczek
„Alles Gute zum Geburtstag.“
„Pscht.“
Auch wenn er sich selbst gewünscht hat auf die Jagd zu gehen, hat mein Sohn kein Wort mit mir geredet, seitdem wir im Wald angekommen sind. Auf der Autofahrt meinte er noch, dass er sich tierisch freue, endlich Opas altes Gewehr anderswo als auf dem Schießplatz zu benutzen. Die Försterin Müller wird schon nichts sagen, es ist ja schließlich sein großer Tag. Sie ist sowieso mehr mit dem Trinken als mit dem Jagen beschäftigt. Da wird meine Lizenz reichen.
Es wird langsam dunkel und wir haben noch kein einziges Tier gesehen. Zu dieser Jahreszeit wird man vom blitzschnellen Nachteinbruch erfasst, wenn man nicht aufpasst.
„Ist doch nicht so schlimm, dass wir nichts geschossen haben, wir können auf dem Heimweg beim Metzger vorbei. Das wäre doch auch was Schönes.“
Er schaut mich böse an und hält seinen Zeigefinger vor den Mund. Ich lächle ihn an.
„Zehn Minuten noch.“
Wir hatten am Nachmittag Kot gefunden und uns dann in der Nähe versteckt, aber kein Tier ist je aufgetaucht. Auch in den letzten Minuten nicht.
„Okay. Papa geht jetzt pinkeln, dann geht es ab zum Auto.“
Mein Sohn schaut mir böse nach, als ich mich zum ersten Mal seit Stunden bewege und ein Ast unter meinen Füßen knackt. Ich lächle ihn an und gehe noch drei Bäume weiter.
Plötzlich sticht es mir in den Magen, als hätte mich eine Patrone durchschossen.
Ich muss nicht nur pinkeln.
Als ich fertig mit meinem großen Geschäft bin, ist es stockdunkel.
„Sohnemann?“
Die Nacht wird von einem Schuss zerrissen.
„Sohnemann! Du sollst doch nicht in dieser Dunkelheit schießen, was fällt dir ein? Du machst jetzt sofort deine Taschenlampe an, hast du gehört?“
Ich kann noch den Weg zwei Bäume zurückfinden, sehe danach aber nichts.
„Die Taschenlampe!“
Es knipst. Im Taschenlampenlicht zeichnet sich Blut im Blattwerk ab, aber der Strahl zeigt nicht von der Position unserer Lauer weg, sondern auf sie herauf.
„Sohnemann?“
Ich finde meine eigene Taschenlampe am Gürtel. Försterin Müller steht regungslos da, ihr Gewehr zeigt Richtung Boden.
„I-Ich dachte– ich wollte das nicht, da war dieser Wildkot heute Mittag, ich dachte, ich wäre alleine, ich–“
© Patrick Muczczek 2022-08-09