Die Tuceks – Die Daltons von Ottakring

axolotl

von axolotl

Story

Neben dem Eingang zum Billa in der Singerstraße nähe Stephansplatz im Zentrum Wiens saß oder lag vielmehr, damals, Februar 2018, ein Mann auf einer Kartonunterlage am Boden. Vor sich ein Pappendeckelschild mit der Aufschrift „Hab Hunger. Bitte um Spende.“ Daneben lag eine alte Baseball Kappe anscheinend die Sammelbüchse .

Es war zehn Uhr morgens, es war Dienstag, es war kalt und der Himmel war grau und dunkel. Viele Leute eilten vorbei und viele aufgespannte Regenschirme. Der Bettler lag da, den Nacken an der Wand gelehnt und die abgewinkelten Knie unter einer Wolldecke.

Der junge Privatgelehrte Joschko P. war zu jener Zeite oft in der Innenstadt unterwegs, da er für eine wissenschaftlichen Arbeit, einige mysteriöse Artefakte in der Schatzkammer des Deutschen Ordens in der Singerstraße studierte.

So traf er auf den Bettler beim Billa und ob nun aus Geltungsdrang oder Nächstenliebe, jedenfalls holte er aus seiner Brieftasche einen fünf Euro Schein hervor. Er wollte einfach Glück verbreiten und sich wohl auch ein wenig zu aufspielen, um sein damals etwas angeknackstes Selbstbewußtsein wieder aufzupolieren.

Also bückte er sich und legte den Geldschein in die Baseball Kappe. Dabei blickte er ganz kurz in das Gesicht des Bettlers. 40-60 Jahre alt, zerfurchte Stirn und tiefe Raucherfalten in den Wangen, verschleierte Augen mit Stecknadel-Pupillen. Ziemlich zugedröhnt.

Doch irgendwie vertraute Züge.

Niemand weiß trotz aller Forschung was da wirklich vorgeht, wenn das Bewusstsein reintaucht in die Tiefen der weichen Bio-Hardware durch tausende Synapsen bis etwas anschlägt und ein Treffer sich ankündigt. Was sich nun hartnäckiger ins Gedächtnis brennt, Lust oder Schmerz ist wohl individuell verschieden. Hier war´s der Schmerz.

„Wu..nitsch? Tulik, Turek? Zwuschitz?“ Silben und Bilder tauchen auf , Sommer 75, der kleine Joschko liegt am Boden, ein Bub kniet auf seiner Brust und spuckt ihm ins Gesicht. Ein anderer tritt ihn mehrmals in den Hintern.

“Tutschek!“ jetzt hatte er den Namen. Es gab vier Tuceks, die sich damals in den Straßen Ottakrings herumtrieben, Feri, Hubschi, Flootz oder Flotzi und Zwusche, der Jüngste.

Die Tuceks aus der Hasnerstraße waren Schrecken und Trauma seiner Jugend.

„Zwusche? Flootz?“ Joschko sprach den am Boden Liegenden an. Der Bettler erschrak, wollte sein Erschrecken aber offensichtlich kaschieren und sagte, etwas gereizt:

„Wos?!“

„Aber a Tucek bist schon, oder?“ fragte Joschko

Der Junkie schüttelte nur den Kopf und Joschko holte noch einen Zehner aus der Brieftasche, legte ihn zum Fünfer sagte „Servas.“ und ging.

Joschko ging erhabenen Gefühles weiter , fühlte sich nun fast wie Jesus, weil er seinen Feinden, die ihn als Buben so drangsaliert, verprügelt und gedemütigt hatten, so großherzig vergeben konnte.

Und der Tucek Flootz, holte sich dann gleich noch einen fetten Schuss bei seinem Dealer und beide Flootz und Joschko waren glücklich.

© axolotl 2019-05-21