Eine helfende Hand

Ein erneutes Klingeln ließ Holly abrupt von Sofa aufspringen und zur Tür laufen. So schwungvoll wie sie sie öffnete, wäre sie beinahe aus den Angeln gerissen worden. Dort draußen, direkt vor der Tür, stand ein Jugendlicher mit strohblonden Haaren und haselnussbraunen Augen, die rot und verheult aussahen. Kaum sah er Holly, breitete er die Arme aus und sie ließ sich fallen. Levi strich ihr vorsichtig über den Rücken und sie merkte, wie er in ihre Haare hinein schluchzte. Die beiden kannten sich, seit sie denken können. Sie waren zusammen durch dick und dünn gegangen und stellten das perfekte Trio mit Ruth dar, nur das sie jetzt nie wieder ein Trio sein würden.

„Holly, es tut mir so leid. Ich… ich hätte hier sein müssen.“ seine Stimme brach und Holly schüttelte den Kopf. „Ich habe es gerade erst erfahren, der Coach wollte nicht, dass ich es vorher wusste.“ Levi war bei einem wichtigen Hockeyspiel vier Stunden von ihrem Dorf entfernt gewesen. „Ich habe versucht dich zu erreichen, aber…“

Holly löste sich aus der Umarmung und nahm ihn mit in ihr Zimmer. „Die Polizei war schon hier. Sie ermitteln in dem Fall und haben mich befragt, weil ich mich eigentlich mit ihr verabredet hatte. Mama ist total durchgedreht und behandelt mich wie ein rohes Ei und jeder Hans und Franz aus der Schule tut auf einmal so, als wären wir die besten Freunde und versucht mich zu trösten. Es war verdammt schrecklich ohne dich, Levi.“ Sie, einen anderen Namen hatte ihre beste Freundin nicht. Es tat zu sehr weh, ihren Namen auszusprechen.

„Wissen die schon irgendetwas? Gibt es Hinweise? Es… wir… Irgendwo dort draußen läuft jemand herum, der uns unsere… beste Freundin genommen hat. Was… was sollen wir tun?“ fragend sah Levi sie an und Holly brach das Herz. Da war so viel Schmerz in seiner Stimme, so viel Trauer, die er ausstrahlte, all das, was sie so sorgfältig unterdrückte, wütete in Levi. Und er hatte Recht. Ihre beste Freundin sollte Gerechtigkeit erfahren. Sie sollte Frieden finden. Und derjenige, der sie ihnen genommen hatte, sollte bestraft werden. Versauern hinter Gittern. Möglichst viel Zeit haben darüber nachzudenken, was er getan hat. „Wir könnten helfen. Also auch nach Hinweisen suchen. Leute fragen.“

Levi lehnte sich nach vorne in ihrem Sessel und nickte eifrig. „Ja, vielleicht finden wir etwas Nützliches. Erstmal brauchen wir alle Informationen. Wo ist sie hingegangen, als sie das Haus verlassen hat? Hat sie irgendwer gesehen?“ Seine Stirn kräuselte sich und man sah förmlich, wie sein Hirn arbeitete. Holly sprang darauf an und dachte weiter.

„Ok, ich durchsuche alle Zeitungsberichte nach Antworten, Informationen, Nützlichem. Du… du schreibst andere Freunde an. Haben sie etwas gemerkt? Etwas gesehen? Alles könnte hilfreich sein.“

Die beiden machten sich sofort an die Arbeit, Holly mit ihrem Laptop und einem Notizblock und Levi mit seinem Handy. Sie arbeiteten meistens in Stille, ab und zu las Holly wichtige Informationen aus den Artikeln vor. „Oh, die Polizei hat schon eine Hausdurchsuchung bei den Engels gemacht und offenbar auch was gefunden. Aber keine näheren Auskünfte.“