von Anna Pichler
Dir habe ich meinen allerersten Liebesbrief geschrieben. Wenn ich nur gut genug danach suchen würde, fände ich ihn bestimmt noch. Irgendwo zwischen Buchseiten steckt er bestimmt.
Ich habe auf einen Zettel aus einem College-Block gekrakelt. Die Papierfusel hingen sogar noch dran, weil ich in all der Eile vergessen habe, sie abzureißen. Eile, weil ich den Brief schnell in dein Zimmer aufs Bett legen musste, bevor ich es mir anders überlegt hätte. Bevor mein Mut mich wieder verlassen hätte.
Es war ein Almsommer. Alle guten Liebesgeschichten starten auf der Alm. Na ja fast alle.
Du warst Praktikant und ich habe aus Spaß geholfen. Du warst lustig, humorvoll und für jeden Blödsinn zu haben. Ich habe keine Ahnung, wie oft ich deinetwegen in jenem Sommer Bauchschmerzen hatte vor lauter lachen. Damals hatte ich sogar schon Muskeln in den Wangen. Ich weiß, ich weiß JEDER hat Muskeln in den Wangen, aber meine glichen schon fast Arnold Schwarzeneggers Oberkörper.
Du hast mir imponiert und deine Art mit Menschen zu reden ebenfalls. Locker flockig hast du mit jedem ein Gespräch begonnen. Du warst selbstbewusst und unterhaltsam.
Oh, jetzt muss ich aufpassen, dass das nicht auch noch ein Liebesbrief wird. Einer ist wahrlich genug.
Ich habe also den Brief auf dein Bett im Jungs-Zimmer gelegt und bin ins Mädels-Zimmer zurück. Total nervös tigerte ich durch die Gegend und wartete. Ich wartete auf irgendeine Rückmeldung. Was würdest du wohl sagen? Hast du auch Gefühle für mich? Oder nicht? Die Gedanken rasten durch meinen Kopf und dann – Ping – eine Nachricht von dir. Ich solle kurz ins Zimmer rüberkommen. Dort saßest du auf dem Bett mit dem Zettel in der Hand und reichtest ihn mir. Du hast gesagt, dass du dich ehrlich geschmeichelt fühlst, du die Gefühle jedoch nicht erwiderst. Es tue dir leid, hast du gesagt und ich habe lächelnd den Brief genommen und das Zimmer verlassen. Dann habe ich geweint. Und es war mir peinlich. Dumm und naiv, wie ich war, schreibe ich dir einen Brief und gebe ihn dir auch noch. Vermutlich würdest du mich nicht mal mehr ansehen geschweige denn mit mir reden. Dumm, dumm, dumm.
Abends beim Essen habe ich einen schüchternen Blick in deine Richtung geworfen und du hast mich angesehen und aufmunternd gelächelt. Nichts hat sich verändert. Absolut garnichts. Du hast so getan, als ob ich nie einen Liebesbrief geschrieben habe und ich habe Zeit gehabt, meine Gefühle in rein freundschaftliche umzuwandeln. Danke, dass du so locker damit umgegangen bist.
© Anna Pichler 2020-07-28