von Jennifer Bogusz
„Du hast doch sowieso keine Chance, wozu gibst du dir überhaupt noch die Mühe?“
Mein empörtes Schnappen nach Luft ging in unserem Gelächter unter, als ich mich in einem Akt der reinsten Verzweiflung über die Länge der Couch hinweg auf Henrik schmiss. Ein schwacher Versuch, ihn davon abzulenken, mich zum siebten Mal in Folge bei Mario Kart haushoch zu schlagen, der übrigens scheiterte. Denn noch bevor ich die Chance hatte, ihm den Joycon aus der Hand zu entwenden, fuhr sein verfluchter grüner Dinosaurier bereits über die Ziellinie.
„Mach dir nichts draus, Nikolas. Wie heißt es so schön? Pech im Spiel, Glück in der Liebe?“
Ich entgegnete ihm mit meiner flachen Hand in seinem Gesicht, nur um sie eine Sekunde später wieder zurückzuziehen, als hätte ich mich verbrannt. Henriks Zunge an meiner Haut hatte zumindest den gleichen Effekt. Einen Laut gespielten Ekels von mir gebend, wischte ich meine Hand mit Nachdruck an seinem Shirt wieder trocken, ehe ich mir meinen eigenen Joycon wieder schnappte und das nächste Rennen startete.
„Red‘ keinen Stuss. Ich hab‘ in beidem Glück, du hast mich einfach nur an einem schlechten Tag erwischt.“
„Natürlich“, erwiderte Henrik mit geheucheltem Verständnis, denn sein Grinsen strafte ihn Lügen. Ich hätte vermutlich ahnen müssen, dass er es nicht dabei belassen würde, diesem durchtriebenen Gesichtsausdruck folgte nämlich immer eine Schandtat auf meine Kosten. Dieses Mal war es nicht anders, denn noch bevor ich mich auf das nächste Rennen konzentrieren konnte, hatte er sich bereits seines Joycons entledigt und nutzte seine freuen Hände nun dazu, um mir seine Fingerspitzen mit quälender Präzision in die Seiten zu treiben.
Ich japste augenblicklich nach Luft und versuchte ihn abzuschütteln, doch er raubte mir mit seinem hinterlistigen Kitzel-Überfall den letzten Atem, der noch das ein oder andere Wort hätte formulieren können. So jedoch blieb mir nichts anderes übrig, als mich hilf- und wehrlos seiner Attacke zu ergeben und laut nach Luft heischend um Erbarmen zu flehen.
„Henrik! Bitte!“
„Was denn?“, fragte er mich allen Ernstes, ganz pseudo-unschuldig, und kam meinem Gesicht dabei ganz nahe. „Ich stelle nur sicher, dass ich gewinne.“
Glucksend stahl er seine Fingerspitzen unter meinen Pullover und fuhr nun direkt auf meiner entblößten Haut damit fort, mich zu quälen – der Unhold hatte in den letzten Wochen, in denen wir uns inzwischen wirklich gut angefreundet hatten, genug über mich in Erfahrung gebracht, um zu wissen, dass ich bis in die Haarspitzen kitzelig war. Und er nutzte dieses Wissen bei jeder sich bietenden Gelegenheit schamlos aus. Scheinbar sah man mir meinen Unmut an, denn er hörte auf, mich zu kitzeln, jedoch ohne sich von mir zu entfernen. Nur, um mir dann ein freudiges Lächeln ins Gesicht zu zaubern, welches das auf seinem Gesicht wie ein Zwilling spiegelte.
© Jennifer Bogusz 2024-03-15