Statt unserem normalen Arbeitsgewand müssen wir eines vom Betrieb anziehen, um keine fremden Keime von anderen Ställen in das System einzubringen. Jeder Besucher bekommt einen Overall, Überzieher für die Schuhe und ein Häubchen.
Fertig umgezogen starten wir in einem kleineren Bereich des Stalles. Dort sind sechs Boxen für jeweils eine Zuchtsau mit Ferkel. Die sterile Atmosphäre lädt nicht zum Verweilen ein.
Bei den Ferkeln in der letzten Box ist ein winziges, schwaches dabei. Es kann sich kaum auf seinen Beinen halten. Der Besitzer fasst es heraus und tötet es. Es war zu schwach und hätte die nächsten Tage nicht überlebt, lautet seine Erklärung. Deswegen hat er es lieber gleich erlöst. Das beklemmende Gefühl, welches mich bereits beim Betreten des Betriebes überkommen hat, ist soeben noch stärker geworden.
Dann gehen wir weiter in den Maststall. Kaum vorstellbar, aber dieser wirkt noch weniger einladend. Der Besitzer scheint sehr überzeugt von seinem modernen Vorzeigestall. Während wir durch den Stall gehen, weist er uns auf die tollen automatisierten Arbeitsschritte hin. Die Fütterung erfolgt durch eine derartige Anlage. Die einzelnen Komponenten der Ration werden im ausgewählten Verhältnis von den Lagerplätzen bezogen. Eine Mischvorrichtung rührt dann alles zusammen und pumpt den Brei direkt in die Futtertröge.
Die tolle moderne Stallanlage beeindruckt mich wenig. Weit mehr Eindruck hinterlassen bei mir die vielen Schweineaugen, aus denen jede Lebensfreude verschwunden ist. Der Stall wirkt kalt, finster und leblos, obwohl unzählige Schweine ihn bewohnen.
Ein Gefühl von Unbehagen kriecht in jede Zelle meines Körpers. Eine lähmende Mischung aus Wut, Trauer, Schuld und Scham überkommt mich bei diesem Anblick. Es ist wirklich beschämend, wie würdelos diese intelligenten, neugierigen Tiere hier ihre Lebenszeit abfristen.
Die Besichtigung ist zu Ende, wir verlassen den Stall. Die wärmende Sonne vertreibt die starre Kälte aus meinem Körper. Doch die Bilder und Eindrücke bleiben in meinem Kopf.
© Anna Katharina Binderlehner 2022-08-30