von Oliver Fahn
Worauf wollen mich nächtliche Äußerungen des Wasserhahns hinweisen? Sobald ich seinen Griffhebel nach oben ziehe, quietscht er. In erster anfallsartiger Eingebung, den Fauxpas zu verhindern, beschließe ich ihn frühmorgens mit mir gerade unerreichbarem, im Keller lagerndem Caramba, zu salben. Jener Aufschub macht meinen Kaffee zur staubigen Angelegenheit. Keine Milch, da Antonia verboten hat, sie fernab des Kühlschranks zu lagern. Der liegt in nächtlich unbetretbarer Zone. Durchquere ich Türen dorthin, erhöhe ich Friedrichs Aufwachbereitschaft.
Vorliegende Verkettung setzt eine Reihe alternativer Handlungsweisen in Gang. Keine Milch, kein Wasser. Eine Hand. Eine zur Kuhle formbare Hand. Und grobes Pulver. Braune Brocken. In die Hand hineinschüttbarer Instantkaffee. Das erleuchtet eine einzig mögliche Verabreichungsvariante im grellen Schein. Kein Löffel, also das Pulver auf die Hand. Meine Zunge späht nach den gefriergetrockneten Bröseln. Antonia hält sie für ungenießbar, ich halte sie zu essen, nach Lage der Dinge, für die zwingende Konsequenz. Trockenes Pulver auf blanker Hand ist die Geißel des Wasserlosen. Ekel ist ein Luxus, den ich mir mit Aussicht auf Kommendes nicht leisten kann. Der Handfläche Aufgekipptes ohne Zuckungen abzulecken, das ist mein Auftrag. Weil ich das Prozedere mindestens drei Mal durchziehen muss, ehe ich eine Wirkung an Wachheit erziele, die nächtlich-schriftstellerischer Brauchbarkeit entspricht, muss ich Abscheu zügeln. Hinschütten, ablecken, Nase zuhalten. Ich muss Selbstbeherrschung zu etwas natürlicherweise Vorhandenem stilisieren, um per se sämtliche Unappetitlichkeitserwägungen abzuschalten. Derlei Verklärungen, der Widerspruch von Soll und Ist, zerrütten mich.
Ein Geistesblitz! Der Schrank! Unter Kleiderbügeln mit vor Jahrzehnten ausgemusterten, Leblosigkeitsaromen verströmenden und vor Mottenduft triefenden Altherrenhemden, gleißt eine Steige hochkalorischer Drinks. Einen genommen, das Deckelblech heruntergerissen, Instantflocken, die im Hals stocken, weder unten noch oben Ausgang finden, wegspülen. Allmählich schwant mir, Aufwand und Nutzen geraten in ein ungesundes Verhältnis. Ich bin bereit zu glauben, Methoden, mit denen ich Friedrichs und Antonias Schlaf schütze, grenzen an Abkehr von Normalität. Während ich mich zur Aufrechterhaltung meiner Würde gegen derartige Kategorisierungen spreize, passiert es: Dem Schrank abgerungener Drink klatscht jäh zu Boden, fällt ungebremst, erschüttert die Etagen. Friedrich ruft. Er versichert mir später, ich sei der Held des Hauses. Die Ironie, mit der Antonia mich zum Mitarbeiter des Monats eines Betriebes kürt, in dem sie nicht arbeiten möchte, überhöre ich. Sie würde schal schmecken. Abgestanden im Geschmack unaufgelösten Kaffees auf Zunge, am Gaumen, im Rachen. Belehrungen lasse ich ignorierend auf mich niederprasseln. Sie gehen vorbei wie jeder Tropenregen.
© Oliver Fahn 2022-04-05