Lux aeterna

MISERANDVS

von MISERANDVS

Story

So schön hatte ich alle Gedanken an Lydia weggedrückt. Doch Olga gestern mit ihrer Quatscherei von ihr hat vieles wieder hochgebracht. Ich fühl mich müde und ausgelaugt, weil es mich erschöpft, jeden Gedanken vorzufiltern, der sich um Lydia drehen könnte und ihn im Keim zu ersticken. Musik läuft im Hintergrund, wie immer. Und wie so oft, reißt mich dann auch noch eine alte Schnulze rein. Ich lehne mich zurück, blicke auf die Kerze, die ich jeden Abend für Vati anzünde. “Vati, kannst du Lydia sagen, dass ich sie liebhab und sie vermisse?”, der Satz drängt aus meinem Herzen an meine Zunge. Doch die ist tapfer, stellt sich tot und will um’s Verrecken diese Worte nicht sagen. Ich seufze. Ist vielleicht auch besser so. Vati würd’s bestimmt machen. Ich seh ihn direkt vor mir, wie er meinen Wunsch vernimmt, wie er grinst, wie er nickt, und wie er sich mit einem lauten überzogenen Stöhnen erhebt, als wäre es ihm Mühe, wie er sich doch gern auf den Weg macht, den Herold zu geben. Wen interessiert schon, was ich noch zu sagen hab?! Am Ende gibts gar keinen Himmel. Und selbst wenn, … scheint das ein exklusiver Club zu sein. Ob’s Vati überhaupt da rein geschafft hat mit seiner frechen Klappe? Bestimmt hat er dem alten Petrus gleich eine umgehängt mit seiner direkten Art und der war womöglich eingeschnappt, hat Vati da nicht haben wollen, weil er nicht systemkonform ist.

Ich muss laut lachen bei dem Gedanken, dass ich mal in den Himmel kommen könnte. Hin und wieder rechne ich auf, was ich im Leben so verzapft hab gegen das Gute, das ich geleistet hab. Dann zieh ich noch die mit Schmerzen abgedienten Sünden ab, muss aber die Flucherei und Lästerungen wieder draufschlagen. In Summer fast ein Nullsummenspiel. Die Rechnung wird eng, keine Frage.

Als wir zu Schulzeiten zu unserer ersten Beichte mussten, da hat mir Opa einen guten Tipp gegeben, weil ich nicht wusste, was ich überhaupt beichten sollte. “Wenn er dich fragt, was du angestellt hast, dann sagst du: ‘Ich habe gestohlen. Ich habe gelogen. Ich habe die Katze am Schwanz gezogen.’“ Dann hat Opa gelacht. Ich auch. Der Dechant nicht.

Ich hol mir noch einen Kaffee, stecke mir eine an und blicke lange ins flackernde Licht von Vatis Kerze. Ich zünd‘ sie jeden Abend an, obwohl mir der Glaube an den Himmel kürzlich endgültig abhanden gekommen ist. Was aber, wenn ich mich irre? Deswegen die Kerze. Bringt mich nicht um, und Vati hat sein Licht. Lux aeterna und so.

Meine Schwester hat die Tage geheult, als ich meinte: “Wenn ich den Käfer mach, dann macht bloß keinen Aufriss! Schmeißt mich irgendwo hin zum Kompostieren. Es interessiert mich nicht. Aber bloß nicht in Wien! Irgendwo daheim in der Steiermark.”

Und mit einem Mal denk‘ ich Vati, wie er zurückkomt von seinem Botengang, sich ächzend hinfläzt und sagt: “Hab’s ihr ausgerichtet, deiner hübschen Katze.” Ich reiß die Augen auf, frage: “Und?” Doch Vati nickt nur einmal kurz, zeigt mir die Zunge und grinst bis über beide Ohren.

“Das machst du jedes Mal, Vatter! Wie ich das hasse!“

© MISERANDVS 2021-05-08

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