Wenn ein rechts auĂźen Politiker auf einer chinesischen Videoplattform patriotische Dating-Tipps gibt, ist er entweder ziemlich verzweifelt auf Stimmenfang oder hat einen ziemlich respektablen Sinn fĂĽr Humor. Populistischer Slapstick mit gelegentlichen Informationseinlagen reichen heutzutage schon aus, um auf der BĂĽhne der Demokratie das rechte Tanzbein schwingen zu können. Keine Angst, wir Deutsche standen nicht immer Kopf nickend daneben, immerhin waren unsere Vorfahren alle ĂĽberzeugte Volkstänzer. Obwohl uns Bodenmarkierungen stets daran erinnern sollten, wie gefährlich es ist, wenn man nur stupide Rechtsdrehungen beherrscht, scheinen viele wieder Gefallen am Ländlertanz gefunden zu haben. Alte Liebe rostet bekanntlich nicht. Lasst uns mit ihnen tanzen, versuchen wir ein wenig Schritt zu halten. Erinnern wir uns gemeinsam zurĂĽck an die „gute alte Zeit“, als Mauern nicht nur aus Beton, sondern auch aus dem tiefen Verlangen nach Abgrenzung bestanden. An das „Damals“, als Männer noch Männer waren und Frauen wussten, wo ihr Platz ist. Romantisch.
Könnt ihr das auch riechen? Ein beiĂźender Geruch von „entarteter“ Kunst liegt in der Luft. Das be[un]ruhigende Knistern eines groĂźen Feuers auf dem Berliner Opernplatz wird vom Wind durch die verwinkelten Gassen getragen. Ein Meer von Menschen, aus verschiedensten sozialen Schichten wärmt sich an den Flammen. Verbunden durch das „Deutschsein“, verachten sie alles was „Deutschsein“ nicht darf. Selbst wenn es bedeutet groĂźartige Werke deutscher Literatur, ohne Widerstand dem Feuer zu ĂĽberlassen. Kafkas Werke spenden buchstäblich mehr Wärme als eine umweltfreundliche Wärmepumpe. Nimm das Robert!
Tanzen wir etwas ausschweifender, immerhin haben wir jetzt ausreichend Platz auf der germanischen Tanzfläche. Deutschland gehört jetzt schlieĂźlich den „Deutschen“. Die wenig verbliebenen Geschäfte der geduldeten „Fremden“ sind kaum noch als solche zu erkennen. Chinesische Restaurants wurden still und heimlich zu Wirtshäusern, Dönerbuden verkaufen ausschlieĂźlich saure Zipfel und amerikanische Fastfood-Ketten bieten mittlerweile eine „Deutschland-TĂĽte“, mit Actionfiguren von Otto von Bismarck, fĂĽr die noch ganz kleinen Deutschen an. Geschichte geht bekanntlich durch den Magen, mal sehen wie viel Geschichte noch ĂĽberbleibt, wenn sie uns wieder verlässt. Mahlzeit.
Vorbei sind die Zeiten, in denen man nicht stolz auf Deutschland sein durfte; jetzt ist es ein Muss! Um uns der neu ausgelegten Geschichte des Landes näherzubringen, findet jeden ersten Sonntag des Monats ein Heimatfest statt. Ein Event, das eine kuriose Mischung aus historischer Reenactment-Ausstellung und kitschigem Volksfest sein soll. Hier gibt es alles, von historischen Uniformen bis hin zu originalgetreuen Nachbildungen von Propaganda-Plakaten. Höhepunkt dieses Ereignisses ist aber zweifellos der „Autobahnbau“-Wettbewerb. Immerhin muss man ja auf Biegen und Brechen auf die globale Ăśberholspur kommen. Deutschland eben.
Keine Sorge, wir haben genug getanzt. Hoffen wir nur, dass die anderen sich nicht zu Tode tanzen. Mal wieder.
© Michael Arwin Urban 2024-02-11