von Thomas Paar
Vor ein paar Tagen musste ich wieder einmal den Weg zu unserem Hausarzt antreten. Da ich lediglich Rezepte holen musste, dachte ich mir, dass ich schnell wieder fertig sein würde. Die Ordination hatte nur nachmittags offen. Recht früh nach dem die Ordination ihre Pforten öffnete, begab ich mich dorthin. Die Regenwolken am Himmel lieferten sich einen erbitterten Kampf mit ein paar Sonnenstrahlen, während ich die paar Minuten zu Fuß bestritt. Da das Wetter nicht wirklich einladen war, hatte ich vor, dieses notwendige Übel schnell hinter mich zu bringen. Hinter mich gebracht habe ich es letztendlich auch. Doch schnell? Naja.
Noch während die Kurve in die Gerade mündete, welche mit dem Eingang zur Ordination endete, veredelte ich mein Gesicht gewohnheitsmäßig auch gleich mit der nach wie vor vorgeschriebenen Maske. Noch während ich im Raum vor dem eigentlichen Warteraum stand und wartete, merkte ich, dass es doch mehr Zeit in Anspruch nehmen könnte, als ich ursprünglich eingeplant hatte.
Den einzigen freien Sessel in diesem Raum überließ ich einer älteren Dame. In der Praxis selbst waren beide Schalter besetzt. Vor mir war noch eine andere ältere Dame an der Reihe. Um später Zeit zu sparen, holte ich mein Handy heraus, um sicherzugehen, dass ich anschließend auch die richtigen Medikamente aufzählen würde. Da ich immer mehr als eines benötige, habe ich diese im Kalender aufgeschrieben, denn sonst würde ich es mir nicht merken.
Die Frau, welche vor mir an der Reihe war, kramte noch nach einigen Sachen in ihrer Handtasche. Zumindest hatte es den Eindruck. Plötzlich drehte sie sich um, schaute mir in die Augen und sagte mit schroffer Stimme und strengem Ton: >>Wischen sie nur bei ihrem Handy herum, oder gehen sie auch mal hinein?<<
Im ersten Moment stand ich einfach nur da, und wusste nicht so recht, was ich darauf antworten sollte. Mal abgesehen davon, dass es sie überhaupt nichts anging, ob oder was ich mit meinem Handy mache, war sie doch vor mir in der Warteschlange! Genau diese Antwort gab ich ihr letztendlich auch.
>>Sie sind doch vor mir. Sie sind vor mir hereingekommen, daher sind sie auch vor mir in der Schlange. Ich werde mich nicht vordrängen. Denn immerhin bin ich nach ihnen hereingekommen. Vordrängen gehört sich nicht wirklich und ich habe es auch nicht vor zu tun.<<
Wortlos schaute sie mich an, ließ einen lauten Seufzer mit einem Kopfschütteln von sind und ging hinein. Was ich davon halten soll weiß ich noch immer nicht. Ich hatte mich doch normal verhalten. Doch war dieses normale Verhalten vielleicht gar fehl am Platz?
© Thomas Paar 2022-10-23