von Yara Kiefer
Feministisch und feminin sind Wörter, die für mich lange nicht zusammengepasst haben. Als ich ein kleines Mädchen war, waren feminine Frauen im Fernsehen irgendwie übersexualisiert und alle haben auf sie heruntergeschaut, und alle starken Mädchen waren Tomboys oder #notlikeothergirls, sodass es mir schwerfiel, feminin sein mit irgendwas als mit Inkompetenz zu assoziieren. Irgendwann gab es die Gegenbewegung. Und dann gibt es noch ganz extreme. Die, die sagen, dass Frauen, die keine langen Nägel oder Schminke wollen, schlechte Feministinnen seien. Weil sie aussehen wollen, wie Männer. Wir sollten uns alle anziehen, wie wir wollen. Aber warum wollen wir uns so anziehen, wie wir es tun? Darüber nachzudenken gibt mir Kopfweh. Ich ziehe mich gern sexy an, weil mir mein Körper gefällt. Aber woher weiß ich, dass ich es nicht in Wahrheit tue, um dem Male Gaze zu entsprechen? Ich schminke mir die Lippen rot, weil dann meine grünen Augen besser rauskommen. Aber bediene ich damit nicht die klassischen Schönheitsstandards? Ich hasse lange Nägel. Aber tue ich das, weil ich so nicht arbeiten kann, oder weil ich sie unterbewusst mit Inkompetenz assoziiere? Ich liebe es, mich auf der Tanzfläche herumwirbeln zu lassen, weil ich mich dann jung und schön und frei fühle. Aber ist es nicht falsch, dass der Mann führt? Dass ich freiwillig drückende Schuhe angezogen habe, damit er mich darin besser drehen kann? Ich will mir selbst gefallen. Nur was heißt das schon, mir gefallen? Ich bin bisexuell. Als ich das erkannt habe, dachte ich, ich müsse mich jetzt nicht mehr von der Male Gaze abhängig machen. Also schnitt ich meine Haare, ich färbte sie, wie ich wollte, ich trug viele Ketten, und zwar figurbetonte, aber meist schwarze Kleidung. Die alte Motorradjacke meines Großvaters war jetzt meine. Das neue Aussehensziel war nicht mehr „hübsch“ sondern “queer.” Ich redete mir ein, dass ich mir keine Gedanken darum machte, wie andere mich sehen. Aber als ich die Bilder anschaute, auf denen ich mal keinen Lippenstift trug, da war das wie ein Stich im Magen. Du siehst aus wie ein Junge. Du bist nicht mehr schön. Kein Wunder, dass du dich nie verliebst. Aktuell lasse ich meine Haare wachsen und es fühlt sich richtig an. Wenn ich auf Dates gehe, oder an den Strand, dann schminke ich mich und trage lange Kleider, die meine Beine umflattern. Dann bin ich frei. Ich habe es schon immer geliebt, Prinzessin zu spielen. Aber als mich ein Fremder mal so genannt hat, da habe ich die Zähne zusammengebissen. Weil Prinzessinnen nicht mit klugem Kopf und glitzerndem Kleid ihre Länder regieren, sondern stumm neben ihrem Ehemann sitzen und ins Leere starren. Weil sie keine Drachen besiegen, sondern sich nur mit der neuesten Mode beschäftigen. Weil ich so aufgezogen wurde, dass ich auf Prinzessinnen gespuckt habe.
Wer bin ich und wo fangen die Anderen an?
© Yara Kiefer 2022-11-10