von Sonja M. Winkler
Es ist schon eigenartig, wenn du plötzlich merkst, dass du in so einer Situation früher anders reagiert hättest. Mit „anders“ meine ich „panisch“ und eben nicht „gelassen und situationsadäquat“, wie ich es von erwachsenen Menschen erwarten würde. Gestern merkte ich, ich hatte meine Gefühle gut im Griff. Das nahm mich wunder und erfüllte mich auch mit Stolz.
Vor einiger Zeit hab ich einen Artikel über Mentalisieren gelesen und wie man Gefühle reguliert, moduliert. Schon lange peile ich dieses Ziel an. Und gestern ist mir etwas Entscheidendes gelungen.
Ich muss vorausschicken, ich hab’s nicht so mit der Technik. Unvorhergesehene Pannen machen mir einen Strich durch die Rechnung. Damit ich von ihnen verschont bleibe, behandle ich kleine und große technische Geräte und Maschinen aller Art (Haushaltsgadgets, Laptop, Auto) pfleglich und achtsam.
Ich liebe meinen zwetschkenblauen Skoda, gönne ihm alle paar Wochen ein Duscherlebnis mit Schaum und Fön in der Waschstraße sowie jährlich einen Gesundheitscheck. Gestern machte dem Armen jedoch die Hitze zu schaffen.
Ich brach in aller Früh auf und holte eine Freundin in Hütteldorf ab. Eine gute halbe Stunde später parkte ich den Skoda neben der Feuerwehr in Innermanzing. Wir folgten der roten Markierung bis zum Schöpfl-Schutzhaus. Der Grammelknödel lieferte die nötige Energie für das Erklimmen der 17 Meter hohen Matras-Warte. Dann die Route retour.
In Innermanzing gibt es einen Badeteich, hab‘ ich gehört. Dort wollten wir uns noch abkühlen, bevor wir die Fahrt nach Wien antreten würden.
Der arme Skoda war den ganzen Tag über in der prallen Sonne gestanden, die ihm offensichtlich nicht bekam. Bis zum Parkplatz des Sees seien es ca. 400 Meter, erklärte uns ein Familienvater, der, mit Badesachen bepackt und gefolgt von einer Kinderschar, die alle in aufgeblasenen Schwimmreifen steckten, auch in diese Richtung stapfte.
Als ich die Rucksäcke im Kofferraum verstaute, merkte ich, hoppala, das Heckklappenschloss verriegelt nicht. Rastet nicht ein. Ein gravierendes Problem, aber ich rastete nicht aus. Optimistisch, wie ich war, fuhr ich zum Badesee, fand einen Schattenplatz. Der Ortswechsel hatte nichts bewirkt. Der Kofferraum ließ sich nicht verriegeln. Bevor ich durch mehrmaliges Öffnen und geräuschvolles Zuschlagen der Tür und Schweißperlen der stillen Verzweiflung auf Stirn, Nacken und Dekolleté die Blicke anderer Badegäste auf mich ziehen würde, ließ ich es gut sein. Wir nahmen alle Wertsachen mit, breiteten unsere Decken im Schatten eines Baumes aus und hüpften ins Wasser. Für eine Stunde war das Kofferraum-Problem vergessen.
Als wir die Rückfahrt antraten, leuchtete das Symbol „Heckklappe offen“. Beherzt wagte ich noch einen letzten Versuch. Vertrautes Geräusch. Eingerastet. Symbol erloschen. Der Besuch in der Werkstatt mental gelöscht.
Aber verstehen tu ich’s nicht.
Wir legten noch eine Rast ein und ließen den Tag mit Kaiserspritzer ausklingen.
© Sonja M. Winkler 2020-08-10