von Obergrünwald
Dass mir REGELMÄSSIG sämtliches Grünzeug, innen wie außen, eingeht, oder bestenfalls lust- und blütenlos dahinvegetiert, hat wohl mehrere Ursachen. Die Ausbildung eines grünen Daumens bedingt, so scheint es mir, das Beherrschen einer gewissen Regelmäßigkeit. Was wiederum das Vorhandensein einer größeren Menge Geduld, Ausdauer und Selbstdisziplin voraussetzt. Diese Tugenden wurden mir leider nur minimal zuteil. Die knappen Ressourcen werden für lebensnotwendige Dinge benötigt. Dass mir aber selbst die Nahrungsaufnahme nicht immer in optimalen Intervallen gelingt, macht sich für mein Umfeld laufend am ‘DuBistNichtDuWennDuHungrigBist’-Syndrom bemerkbar. Kein Wunder also, dass keine Regelmäßigkeit für die kontinuierliche Versorgung von chlorophyllproduzierenden Spezies vorhanden ist. Und somit kein grüner Daumen.
Pflanzen wollen stetig, zumindest in periodisch wiederkehrenden Abständen, sprich REGEL(und)MÄSSIG betreut, gehegt, gepflegt, vor allem gegossen werden. Hier macht sich mein Defizit deutlich bemerkbar. Und zwar sowohl der Mangel an REGEL als auch an MÄSSIGKEIT. Erster ist der Grund für das bedauerliche Ableben jeglicher Blumenstöcke durch Verdursten. Zweiter verursacht den qualvollen Tod durch Ertrinken bei den alternativ angeschafften Kakteen, da ich die stacheligen Gesellen, wenn, dann zu ÜBERmäßig mit dem eigentlich lebenspendenden Nass beglücke.
Im Garten sieht es nicht besser aus. Die einzigen tapferen Überlebenden, die ich selbst gepflanzt habe, sind ein paar Sträucher auf der Böschung. Zur Freude der Amseln und Meisen, die sich dort aufhalten. Aber zum Leidwesen der zweibeinigen Anwesenden, die ihren verwahrlosten Anblick ertragen müssen. Denn auch hier schlägt mein Mangel an Regel und der noch größere Mangel an Mäßigkeit unbarmherzig zu. Alle heiligen Zeiten überkommt es mich und ich greife zur Gartenschere. Einmal begonnen, bin ich nicht mehr zu mäßigen und verpasse den Armen eine Stutzung, die unregelmäßiger nicht sein könnte. Das Ergebnis erinnert an etwas, das die Bezeichnung ‘Schnitt’ nicht verdient und ist am ehesten mit der Haarpracht meiner früheren Punk-Rock-Idole vergleichbar ist. Ob sich die Strauch-Rocker für ihr Aussehen schämen oder finden, rosa Tupfer passen nicht zu ihrem Stil? Jedenfalls bleiben auch sie notorisch ohne Blüten. Man sagt zwar, Ausnahmen bestätigen die Regel, aber im Regelfall werde ich keinen grünen Daumen mehr ausbilden.
Gottlob hilft sich die Natur wie so oft selbst und lässt hauptsächlich das gedeihen, was ohne vorschriftsmäßige Pflege, sich selbst überlassen, gut zurecht kommt. Nämlich Unkraut. Zu meinem Glück gelten viele Unkräuter als Heilkräuter und finden als diese Verwendung. Ansonsten bin ich, überraschend regelmäßig, als erntehelfender Nutznießer im üppig gedeihenden Gemüsegarten der Schwiegermutter zu finden.
Photo: unsplash by John Silliman
© Obergrünwald 2021-03-17