Schuld war nur dieses Bild

Marianna Vogt

von Marianna Vogt

Story
Laufen (BL) 2024

Frohgelaunt und guter Dinge verließ ich heute Morgen die Wohnung. Ich wollte einen exklusiven Einblick erhaschen, wie die weltbekannten Ricola Bonbons frisch hergestellt werden. So etwas gibt es schließlich nicht alle Tage zu sehen.
So fuhr ich von Basel mit dem Regionalzug in das historische StĂ€dtchen Laufen. Dort musste ich frustriert feststellen, dass das Postauto erst in einer knappen halben Stunde fahren wĂŒrde. Macht nichts, dachte ich. Ich hatte beim Hinfahren schließlich aufgepasst und wusste, in welcher Richtung sich die Fabrik befand. So machte ich mich zu Fuß auf den Weg. Als ich dort ankam, hatte ich die Rechnung jedoch ohne den Wirt, respektive die Firma gemacht. Der Anlass fand nicht hier, sondern im Erlebnisshop vorne im StĂ€dtchen statt. Völlig enttĂ€uscht und niedergeschlagen marschierte ich von dannen. Zum GlĂŒck gab es unweit des Fabrikareals eine Postautohaltestelle. Von dieser Station fuhr der Bus bis ganz in die NĂ€he des GeschĂ€ftes.
Meine Laune war wieder in Hochform. Als ich das GeschĂ€ft betrat, leuchteten mir Bonbonverpackungen in der gesamten Regenbogenpallette entgegen. Mein Herz hĂŒpfte vor Freude. Doch bevor ich los-shoppte, ging ich zum Erlebnisshop im ersten Stock und ließ mich von den zahlreichen Informationstafeln und interaktiven Schalter und Knöpfen inspirieren. Leider hatte ich das «Bonbon kochen» knapp verpasst. So ließ ich mir die Bonbon-Produktion theoretisch erklĂ€ren. Die «Ricola-Dame» machte das richtig gut. 
Der Ricola Original KrĂ€uterzucker mit den 13 KrĂ€utern gibt es seit 1940. Der FirmengrĂŒnder Emil Richterich hat die KrĂ€utermischung dieses eckigen WĂŒrfels persönlich erfunden. Die Rezeptur ist noch immer streng geheim. 
Als Abschluss durfte ich zur Erinnerung auch noch ein Selfie machen. Leider hĂ€ngte sich die Fotobox auf und der Hintergrund mit Matterhorn und Murmeltier wurde nicht hinzugefĂŒgt. Pech gehabt – wenigstens war ich im Bild. 
Unten im Verkaufsshop versorgte ich das Foto sorgfĂ€ltig in mein rotes MĂ€ppchen. Kaufte noch ein paar Schleckereien und machte mich auf den Weg zum Bahnhof. Im Zug wollte ich dann das Selfie fotografieren. Aber oh Schreck – ich griff ins Leere. Mir wurde ganz blĂŒmerant. Wo verflixt nochmals war das MĂ€ppchen? Bestimmt hatte ich es beim Zahlen auf der Theke liegenlassen. Sofort rief ich im GeschĂ€ft an, um nachzufragen, aber die hatten bereits Mittagspause und das GeschĂ€ft war geschlossen. Unterweges hatte ich keine Möglichkeit auszusteigen, da ich in einem Schnellzug saß. NĂ€chster Halt Basel. Dort stieg ich in den nĂ€chsten Zug zurĂŒck nach Laufen. Mir schossen tausend Gedanken durch den Kopf, was wĂ€re, wenn das MĂ€ppchen nicht mehr dort wĂ€re? Ausweise hatte ich glĂŒcklicherweise keine darin aufbewahrt. Aber Lottoscheine, USB-Stick, Handykabel, Paketabholschein und jede Menge Makulatur. Nach der Mittagspause meldete ich mich erneut telefonisch im GeschĂ€ft. Die nette Dame bestĂ€tigte mir, dass mein rotes MĂ€ppchen wohlbehalten in der Kassenschublade auf mich warten wĂŒrde. Als ich ein 2. Mal im Shop eintraf, hatte ich zwar das «Schau-Kochen» wieder knapp verpasst, aber das machte mir nichts aus. Ich hatte mein Etui zurĂŒck – juhui, ich hatte Weihnachten im September!

© Marianna Vogt 2024-09-12

Genres
Reise
Stimmung
Herausfordernd, Emotional, Informativ, Angespannt
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