von PETER MANDL
Ein Wiener Bezirk, erst vor wenigen Jahren (1892) “eingemeindet”, weit weg vom Glamour Hietzings, im tiefen pannonischen Osten. Dorthin, in eine kriegsinvalide Abbruchbude, wurden meine armen Eltern und ich nach Kriegsende gezogen.
Es gab einen Dorfpolizisten, Verehrer meiner schönen Mutter und ob seines dunklen Teints “Negerl” gerufen. Dies allerdings eher par distance, denn die Gummiwurscht saß locker. Da war der Donaukanal (Daunaukanäu), wo die rosa Kombinesch der beleibten Frau Hausmeisterin mit dem Schnitzel aus’n Zeitungspapierl sowie dem Gurkensalat im Glasl wetteiferte. Mit Nylonfaden fischen am Heustadelwasser. Der kleine Seni geht mir nach 3 Tagen im Lawur (Lavoir) der Bassenawohnung tränenbegossen ein.
Oben erwähnte rosige Unterwäsche war von Pubertätsaspiranten auch täglich bei Arbeitsschluss durch die Kellerfenster der Zuckerlfabrik Viktor Schmidt & Söhne zu bestaunen. Mit einer flinken Hand im Hosensack.
Für uns Gschroppen noch tabu: die Cafés Pilati und Topf, wo Feitl, Fisch, Mau (Synonyme für Springmesser) oder sogar die Puffn schnell gezogen waren.
In die Lichtbildbühne zu “Tom Mix räumt auf”, emanzipatorischer Favorit der Simmeringer Hausfrauen, ins Hauff- oder Rex-Kino, später ins modernere, aus einer Bombenruine erstandene “SVK-Kino” (ein Pleonasmus, denn es hieß ja eh schon „Simmeringer Volks- Kino).
Dort sang sonntags vor den Liebesfilmen mit Greta Garbo oder den “Westlern” mit Gary Cooper die von mir kindlich verehrte Maria von Schmedes “Zwischen Simmering und Favoriten”, sprudelten Maxi Böhm und Ernst Waldbrunn. Dort schmetterte mein Vater, der sozialistische Kulturreferent, Brandreden gegen die schwarzen Apologeten des noch frisch erinnerten christlichsozial-austrofaschistischen Ständestaats, der uns hudriwusch in die Arme der braunen Sumpfkrake getrieben hatte.
Am Laaerberg- unsympathische Tüftler rechnen ihn bereits zu Favoriten, wohingegen sich der Favoritener Ostbahn- Kurti als Simmeringer geriert- gab es den Böhmischen Prater, die Badefreuden im “Butterteich” (heute Naturschutzgebiet) inklusive besagtem rosa Textil. Tombolalose, Moretti Schokoladeeis.
Der “Eiskasten” wurde von der Frau Mutter mit schmelzenden Abfällen der Bierkutschen gefüllt- in jedem Simmeringer Zinshaus gab es scheinbar drei “Wirten”. Das Bier brachte man dem Papa im vom Schaum gierig befreiten Glaskrug.
Der 1. Simmeringer SC. spielte seit Jahrzehnten eine führende Rolle in der jeweils ersten Staatsliga, Walter Zeman (Tiger von Glasgow, Panther von Budapest, Rapid) oder der fesche Pauli Schweda (Austria), mussten nur zu oft hinter sich greifen, wenn der wohlbeleibte schwarz-rote Mittelstürmer, der “Wallner- Blade”, bombte.
Die Hasenleiten, bevorzugt besiedelt von Kriegsvertriebenen, war für uns Kinder off limits. Dies hinderte mich nicht, eine halbe Generation vor Schneckerl Prohaska, ebenda bei Ostbahn11 zu ferseln.
Simmering, wo bist du?
© PETER MANDL 2022-03-17