von CLBanu
Ihr gegenüber sah Tom verletzlich und jung aus, dabei war er sechs Jahre älter als sie. „Ich will dich nicht unter Druck setzen. Natürlich musst du mich nicht besuchen, ich hoffe, du weißt das. Ich will immer mit dir schreiben oder telefonieren, da vergesse ich manchmal, dass du gar nicht bei mir im Raum bist.“
„Aber ich möchte das ja auch. Und ich werde dich besuchen kommen. Ich kann es gar nicht genau erklären. Unterbewusst habe ich wohl einfach Angst, dass du mehr verlangen könntest. Dass dir unsere Freundschaft nicht genug sein könnte.“
Sie sahen einander stumm an. Natalie wusste, dass Tom sie niemals drängen würde. Er war kein Mann, der seine sexuelle Befriedigung über ihre Menschlichkeit stellte. Und doch hatte sie so viele schlechte Erfahrungen gemacht, dass sie es einfach nicht abstellen konnte.
„Ich würde niemals etwas tun, was du nicht willst. Worum du nicht ausdrücklich bittest“, sagte Tom schließlich mit fester Stimme. „Ich weiß, dass du nicht mir schlafen möchtest. Auch wenn ich am Anfang … nicht alles verstanden habe, Nat, ich akzeptiere und schätze dich, ganz genau so wie du bist. Deine Freundschaft bedeutet mir alles.“
Das größere Problem war eher, dass Natalie sich selbst kannte und mit genügend Beharren eines anderen Menschen nachgeben würde. Nur dass sie Sex nicht sonderlich… mochte. Interessant fand. Wie auch immer man es ausdrücken wollte.
„Ich bin kein Teenager mehr, Nat. Aber es tut mir leid, wenn du das Gefühl hast, dass dein Umzug in die Stadt etwas an unserer Freundschaft und Beziehung verändert hat.“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich bin einfach … verwirrt, momentan. Das will ich nicht an dir auslassen.“
Tom sah gut aus, das war keine Frage. Er war attraktiv. Natalie war bisher noch nie einem anderen Menschen emotional so nah gekommen. Trotzdem wusste sie schmerzlich, dass die Anziehung, auf die sie wartete, nie kommen würde. Und egal wie sehr er gerade noch vorgab, damit klarzukommen, am Ende sähe es anders aus. Sie sollten es erst gar nicht versuchen.
Selbstironisch hob Tom eine Schulter: „Wir müssen nicht durchgehen, was meine Therapeutin alles über mein früheres Verhalten sagt. Ja, ich mag Sex und finde es schwierig zu verstehen, wie er dir so egal sein kann. Trotzdem ist das nicht das einzige, was eine Beziehung ausmacht.“
Unwohl spielte sie mit ihren Haaren. „Es ist noch sehr früh, um von einer ernsten Beziehung zu sprechen. Wir kennen uns doch kaum.“
Tom stieß einen ungläubigen Ton aus. „Natalie, keine andere Person kennt mich so gut wie du. Du weißt alles von mir, was es zu wissen gibt. Du weißt mehr, als mir lieb ist. Wir reden jeden Tag miteinander, wie viel mehr braucht es?“ Toms linke Hand lag einladend zwischen ihnen auf dem Tisch. Vorsichtig berührte sie seine Finger.
© CLBanu 2023-08-26