Vom Spiritus Sanctus

Gerhard@Goesebrecht

von Gerhard@Goesebrecht

Story

Um diese Story zu verstehen, ist die Vorgeschichte wichtiger als ihr Ende. Das dicke Ende kommt ja trotzdem und in gewohnter Kürze. Die geneigten Hörer mögen mir verzeihen, mit dem Titel eine Erwartung zu wecken, die zu erfüllen ich mich eigentlich unberufen fühle. Fast ein wenig stolz blicke ich auf ein Leben fern fast jeder Spiritualität. Ist für diese Geschichte aber nicht ganz wesentlich.

Das änderte sich auch nicht wirklich, als ich eines Tages, sehr spät aber doch, Freude an Gesang entdeckte. Also, gemeinsam mit Anderen im Chor zu singen. Dabei war mir Musikalität in die Wiege gelegt. Wie schön konnten doch unsere Eltern uns Kindern vorsingen. Der Vater wusste auch zu geigen, am Klavier zu spielen oder das Waldhorn zu blasen. Ich endete mit bescheidener Virtuosität als Blockflötenspieler.

Schon der erste, gerade frisch gegründete Chor, bei dem ich mich vorstellte, nahm mich herzlich auf. Wie ich erfuhr, fehlen Chören oft die Männerstimmen, besonders Bässe! Weit weniger herrliche Frauen mit herrlichen Sopran- oder Altstimmen. Ich sang wie ein Fisch – oder besser, fühlte mich wie ein Fisch im Wasser. Unser Liederbuch umfasste auch das Singen ganzer Messen, in Kirchen verschiedener Glaubensrichtungen. Weltoffen waren wir. Natürlich waren die Liedtexte Anbetung der oft gleichen Gottheit. Eigentlich immer der Gleichen. Wie das? fragte man im Freundeskreis – du, als Atheist? Es ist die Musik, der Gesang, dem ich opfere, war stets meine Antwort. Ja, ich könnte auch in einer Moschee singen, würde sich mir die Schönheit muslimischer Tonalität nicht so sehr verschließen.

Es folgten ein echter Gospel-Chor, mit wieder wunderbar klingenden Gesängen, danach, als künstlerische Steigerung, ein Chor, der unter professioneller Leitung eines akademisch, auf dem gesamten Gebiet der Kirchenmusik gebildeten Lehrmeisters steht.

Ja, aber dazwischen! Da war noch ein Intermezzo – das ist es doch, wovon ich eigentlich erzählen wollte! Ein echter a cappella-Vier-Gesang. Vier gestandene Mannsbilder sangen Tenor, Bariton und Bass. Und der Gründer und Chorleiter stellte bei der ersten Probe ein Six-Pack Bier auf den Tisch. Zur Nachahmung, damit die Kehlen nicht zu trocken blieben. Neben neuen und alten Anbetungs-Gesängen wurde auch das Volkslied gepflegt. Dieses Liedgut öffnete uns die Tür zu manchem Jubilar und endete zumeist mit einem Umtrunk. Was hat uns das vor trockenen Kehlen bewahrt! Hier ist er, mein Zugang zum Heiligen Geist! Unser geliebter Chorleiter und Pfarrer hieß Hans Steinwender. Was hatten wir gelacht mit ihm! Noch am 1. November des Vorjahres, ging er bei der Segnung der Gräber am Friedhof auch an mir vorbei, erkannte mich und ein schelmisches Lächeln erhellte sein Angesicht. Er nickte mir fast unmerklich zu.

Nur wenig später war Hans tot. Noch an seinem Sterbetag kamen wir abends in seiner Kirche zusammen. Ich habe natürlich mit gebetet. Für Hans würde ich das sogar in einer Moschee am Tempelberg tun.

© Gerhard@Goesebrecht 2021-11-23

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