Herr Pfunds war ein ‚Pfundskerl‘. Nach ihm benennen wir ungehobelte aber patente Kerle, mit denen man Pferde stehlen kann. Pferde gestohlen hat er nicht, sondern er war ein ungewöhnlich geschickter Kutscher im Dienste Friedrich des Zweiten. Viele Anekdoten ranken sich um seine unverschämte Verhaltensweise. Es wird erzählt, dass der König ihn ob seines respektlosen Verhaltens entlassen habe, ihn aber wieder einstellen musste, weil er nicht seinesgleichen fand, der ihn so sicher und schnell durch die Lande kutschierte. Eine Bedingung Pfunds war nicht nur eine lebenslange Pension und ein Haus, sondern auch ein Denkmal. Und so prangt der livrierte Wagenlenker mit der Quadriga auf dem alten Reitstall am Neuen Markt in Potsdam.
Bei der Schlossbesichtigung Sanssouci’s und bei einem interessanten Stadtrundgang erfuhren wir viel über den Preußenkönig Friedrich II. und die Barockzeit. Wussten Sie, dass die pferdeschwanzartigen Mauergirlanden an den Fenstern und Türen den barocken Perücken der Adeligen nachempfunden sind – oder umgekehrt? Friedrich II., auch Friedrich der Große, preußischer König, der von 1712 bis 1786 lebte, war ein Herrscher der anderen Art und deshalb ständig im Clinch mit seinem Vater. Als er in jungen Jahren flüchten wollte, sollten er und sein Freund mit aller Härte, wie andere Soldaten auch, bestraft und hingerichtet werden. Der Rat ließ das aber nicht zu, er wurde begnadigt, öffentlich verprügelt und musste der Enthauptung seines Freundes zuschauen. – Ein prägender Vorfall in einer grausamen Zeit. Was für ein Elend aber auch für einen Vater, der der Soldatenkönig genannt wurde. Das Leben von König Friedrich dem Großen war geprägt von dramatischen Ereignissen, zahlreichen Kriegen und seinen künstlerischen Leidenschaften. Friedrich war stark beeinflusst durch die Aufklärung. Er schaffte die Folter ab, förderte Bildung, Handel und Gewerbe. Er selbst sagte über sich, er sei der erste Diener seines Staats.
Bei unserer Ankunft in Potsdam glaubte ich zu träumen. Ich fand mich unter typisch holländischen Häusern wieder. Das Holländische Viertel ist ein im Zentrum Potsdams gelegenes Stadtviertel, in dem sich auch unser Hotel befand. Und so galt der erste Streifzug der Mittel- und Benkertstraße, die aus wieder aufgebauten Ziegelsteinhäusern im holländischen Stil bestehen. Niederländische Baumeister und Handwerker sind Mitte des 18. Jahrhunderts geholt worden, um die barocken Paläste für die Adeligen und die Offiziersfamilien zu bauen. Sie erhielten ein ganzes Stadtviertel, um ihre typischen Häuser zu errichten. Die Mischung von Wohnraum, kleinen Läden, Galerien, Werkstätten, Kneipen, Restaurants und Cafés geben dem Holländischen Viertel ein Flair, das es bei Einwohnern und Touristen gleichermaßen beliebt macht. Am Nauener Tor mit seiner markanten neugotischen Bauweise spielt ein Straßenmusikant Ziehharmonika. Zeit innezuhalten! Auch die zwei anderen Stadttore – das Brandenburger Tor (älter als das berühmte Tor in Berlin) und das Jägertor erkunde ich. Die Namen sind leicht erklärt: Die Leute damals konnten nicht lesen und so war es einfach zu merken, dass man durch das Brandenburger Tor nach Brandenburg ging, durch das Jägertor in den Wald und durch das Nauener Tor nach Nauen. Ein Navi war nicht vonnöten.
© Christine Sollerer-Schnaiter 2023-07-24