Vor dem guten Jahr

Petra Stoppacher

von Petra Stoppacher

Story
2022

…war ich einmal so unsicher, dass ich mich zumeist hinter anderen verstecken musste. Hinter deren Anhänglichkeiten. Ein Blatt im Wind.

In diesem meinem Zustand begegnete mir eines Tages Herr M., wie er dort genannt wurde. Es gab diese kleine Insel der Nicht-so-Seligen, eine Schulung für Leute, die sich momentan am 1. Arbeitsmarkt schwertun war das, vielmehr auch ein gutes Auffangbecken für unterschiedliche Außenseiter.

Selig war ich dennoch dort, denn ich musste mich nicht so verstecken wie anderswo, und ich wurde ein paar Male als Frau interessiert wahrgenommen, was ein Gutes war in der schnelllebigen Welt. Trotzdem, es war wohl alles zu viel des Guten, denn Herr M. nahm mich dort als offenbar Unter-Drogen-Stehende wahr, er sprach der Polizei und meinen ihm unbekannten Eltern gegenüber aus, dass er mich in dem Licht sah, unbemerkt suchtkrank zu sein.

Wenn ich nun auch Außenseiterin war, so war doch nichts Plausibles an all dem und ich lachte monatelang heimlich und unheimlich über diese Verleumdung, als welche ich sie wahrnahm, weil mir Herr M. grundsätzlich sehr lieb vorgekommen war.

Wir gingen ein Mal, zuvor, zusammen fort, und ein nächtelanges Gespräch hat ihn auch nicht von meinem unbeeinflussten Geisteszustand überzeugt; Pech damals, vor allem für ihn, weil ich so auf keinen Fall Vertrauen fassen konnte. Zu sehr kämpfte in mir mein Feminismus gegen Überfürsorglichkeit. Die 2 verstehen sich nicht so gut, und so war es demnach, wollte ich mir weismachen, auch bei Herrn M. und mir.

Zwar waren da Briefe u. Ä., die von dem Wunsch nach einer innigen Freundschaft sprachen. Ich nahm alles als gottgegeben, aber nicht ernstzunehmen hin; seltsam eigentlich, da ich selbst genau so zu sprechen wage, wenn man mich lässt: Schriftlich, ausführlich, voller Sympathie… aber nein, alles kein deutliches Zeichen, wenn doch die Emanzipation gefährdet ist.

Es dauerte demnach eine schöne, aber letztlich vergebens versuchte andere Beziehung, allerlei Tränen, lausige, einsame Abende und einen Versuch in einer anderen beruflichen Sparte, mindestens, bis ich mich zu Weihnachten 2020, als ich wieder Single war, bei Herrn M. meldete. Er kam, sah, und eroberte als guter Freund von mir meinen Freundeskreis im Nu. Bis es bei mir soweit war, musste ich einige Dinge “klarmachen”, denn als so dumm, wie ich mich in seiner Gegenwart vormals gefühlt hatte, wollte ich ja nicht in der Zukunft sein.

Das alles war gut, weil es uns uns näher brachte, nachdem es uns zuerst noch parallel ein bisschen reifen hatte lassen.

1 Jahr sind wir nun ein Paar und ich schaudere vor so viel Gesprächsbereitschaft, Ehrlichkeit, Liebe, Humor, Ernst, Glauben, Reue, Authentizität und Aufopferungsbereitschaft, wie ich sie von meinem Partner erlebe, und das Tag für Tag aufs Neue.

Was ist das Fazit? Nicht immer, aber fast immer, ist das Gefühl hinter der Fassade zu stark um ihm aus dem Weg zu gehen – Ähnlichkeiten sind super – Entwicklung kann wichtiger sein als ein guter Start.

© Petra Stoppacher 2022-06-30

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