von Luisa Kaspar
Hoffnung ging nach seinem Entschluss gleichgesinnte Leute zu treffen erstmal an die frische Luft, um einen Spaziergang zu machen. Er musste den Kopf freibekommen und sein Gefühlschaos der letzten Stunden verarbeiten. Er war etwa zehn Minuten unterwegs, als ihm eine Gruppe an Menschen auffiel. Sie waren zu viert und stachen in dieser Umgebung heraus wie bunte Hunde. Alle von ihnen trugen auffallende Kleidung, einer hatte grüne Haare und die eine Frau war mit einigen Piercings im Gesicht beschmückt.
Er starrte die Gruppe fasziniert an, konnte jedoch nicht den Mut aufbringen, zu ihnen zu gehen. Der Mann mit den grünen Haaren fiel es auf, dass Hoffnung sie beobachtete und winkte ihn mit einem freundlichen Lächeln zu sich. Hoffnung ging aufgeregt auf die vier zu.
Schließlich stand er vor ihnen und schaute verlegen in die Runde. „Hallo“, begrüßte er sie zögernd. „Hi“, antwortete der grün behaarte Mann fröhlich. „Wir haben gesehen, dass du uns interessiert beobachtet hast. Und in deinem Blick lag nicht der Ausdruck an Abneigung, welchen wir sonst häufig bei den anderen Leuten sehen. Da wurden wir neugierig. Wie heißt du denn?“, fragte er. „Hoffnung“, antwortete Hoffnung berührt. Die Worte des Mannes hatten tief verdrängte Erinnerungen hervorgebracht. Er dachte an seine Kindheit zurück und daran, wie selbst Erwachsene ihn in diesem Alter mit Abscheu ansahen, nur weil er sein Leben nicht nach deren Vorstellungen führte. Ihm stiegen Tränen in die Augen. „Entschuldigt bitte“, sagte er zu der Gruppe. „Ihr habt recht. Ich habe euch nicht mit Abneigung angesehen, da ich weiß wie sich das anfühlt. Ich war als kleiner Junge genauso wie ihr. Ich habe mein Leben nach eigenen Regeln gelebt und es war mir egal, dass mein Verhalten und Lebenseinstellungen nicht mit der Mehrheit übereinstimmten. Ich war glücklich. Doch nach einer Weile wurde der ganze Hass und die darauf folgende Einsamkeit zu viel und ich beschloss, mich der Masse anzupassen. Ich wollte einfach nicht mehr einsam sein. Für eine Weile habe ich damit auch gut gelebt. Jetzt bin ich allerdings an einem Punkt angekommen, wo ich merke, dass ich tief in meinem Inneren nie wirklich glücklich mit diesem neuen Leben war. Ich vermisse es frei zu sein. Ich weiß nicht, warum ich euch gerade meine ganze Lebensgeschichte erzählt habe. Ich kenne euch ja gar nicht. Es fühlt sich aber gut an, als wäre eine Last von mir abgefallen“, sagte Hoffnung lachend. Die vier sahen ihn mit verständnisvollen Augen an. „Das ist gar kein Problem“, antwortet die Frau mit den Piercings. „Manchmal muss man seine ganzen Gefühle jemanden mitteilen, selbst wenn es fremde sind. Und ich heiße Glück. Der mit den grünen Haaren ist Zweifel und die anderen beiden sind Liebe und Erwartung. Jetzt kennst du uns schon etwas besser. Und du bist nicht der einzige, der seine Zweifel hatte oder immer noch hat. Jeder Mensch hat Zeiten in seinem Leben, in denen alles hinterfragt wird und man beschließt, neue Wege einzuschlagen. Das gehört zum Mensch sein dazu“, sagte Glück mit einem Lächeln.
© Luisa Kaspar 2023-09-03