Wie schläft ein Vogel?

Susanne Fahrnberger

von Susanne Fahrnberger

Story

Man könnte meinen, dass ein Hund und eine Katze genug Haustiere sind, für einen Haushalt. Aber meine neunjährige Tochter hat sofort begeistert gerufen: „Ich kümmere mich! Der kommt in mein Zimmer!“ “Aber was ist mit der Katze? Vögel und Katzen vertragen sich nicht gut!”, erwiderte ich:“Bitte, bitte, bitte! Ich pass gut auf! Ich lasse die Tür immer zu! Und wo soll er denn sonst hin, der Arme!“ Da konnte ich schlecht nein sagen. Also erhielt der Kanarienvogel der Nachbarin für vier Wochen bei uns Asyl.

Marie kümmerte sich die ersten paar Tage eifrig um den kleinen gelben Gast. Aber der Reiz des Neuen verzog sich mit der Schlechtwetterfront. Immer öfter musste ich Marie an ihre Gastgeberpflichten erinnern. Eines Morgens drangen aus dem Kinderzimmer eigenartige Geräusche. Was war das? Beim Anblick der offenstehenden Tür, wusste ich sofort, die Katze war beim Vogelkäfig. Aber nein, es war viel schlimmer. Das Bild, das sich mir beim Öffnen der Tür bot, werde ich nie vergessen. Der schwarze Kater hatte es irgendwie geschafft die kleine Tür des Vogelkäfigs nach innen zu drücken und die vordere Hälfte seines Körpers hineinzuzwängen. Er hatte das kleine gelbe Federbüschel im Maul, welches aufgeregt flatternd versuchte, den spitzen Fängen zu entkommen. Der erfolgreiche Jäger ließ sich die Beute von mir nicht so ohne weiteres abnehmen. Ich musste mit aller Kraft ziehen, um ihn aus dem Käfig zu bekommen. Er knurrte und fauchte und zog schließlich mit laut protestierendem Miauen ohne Vogel von dannen. Dieser lag regungslos am Boden seiner Behausung. Äußerlich war er unversehrt, ergab meine genaue Inspektion. Aufatmend setzte ich ihn auf seine Lieblingsstange. Er würde sich sicher erholen. Sorgfältig schloss ich hinter mir die Tür. Als Marie von der Schule kam, ermahnte ich sie, besser achtzugeben,

Meine Augen waren geschlossen und ich lag auf einem warmen Felsen neben einem kleinen See, in den sich rauschend ein kleiner Wasserfall ergoss. Die Idylle wurde jäh zerstört. Irgendetwas rüttelte an meiner Hand.“ Mama, Mama. Wach auf!“ “Unwillig verließ ich meine Oase der Träume. ”Was gibt’s! Warum weckst mi auf?“ “Du Mama? Wie schlafen denn die Vögel normalerweise?” Sofort war ich hellwach. “Warum fragst‘? Wie schläft er denn?” Sie wusste, dass ich den Kanarienvogel meinte: „Er liegt auf dem Rücken im Futterschüsserl.“ Also, das war definitiv keine natürliche Schlafposition für einen Vogel. Der Tag fing ja gut an. Während wir dem Dahingeschiedenen ein gebührendes Begräbnis veranstalteten, überlegte ich, wie ich es der Nachbarin schonend erklären soll.

Aber sie war beim Heimkommen noch nicht ganz aus dem Auto ausgestiegen, da posaunte unsere Dreijährige laut heraus “Unser Mogli hat deinen Vogel tot gemacht!” Die Nachbarin erwiderte trocken: „Ja, der war schon so alt. Ich hab schon lang damit gerechnet, dass er stirbt!“

© Susanne Fahrnberger 2021-04-06

Genres
Humor& Satire
Stimmung
Komisch
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