by LilaQumash
Sven, der dritte im Bunde, war der Einzige, den ich mochte. Sven war sanft. Er hatte so ein schönes, liebevolles Gesicht und ein warmes Lächeln.
Ich starrte auf meinen Hut, während Nils ihn Sebastian zuwarf, der meinen Hut von innen kurz inspizierte und dann schnell mit schadenfrohem Lächeln aufschrie: “Haha, guckt hier! Der ist von C&A!! Hahaha, so ein Asi-Laden! Guckt alle! Sie ist Asi! Ein Asi! Ein Asi!” Nachdem der rote Baskenhut nicht mehr mein persönlicher Gegenstand war, sondern ein Objekt des öffentlichen Pausenhof-Gespötts, warfen sich die Jungs den Hut gegenseitig zu, begleitet vom Ausruf „C&A Asi Hut! C&A Asi Hut!“. Ich verwandelte mich in einen Pingpongball, der in einem Dreieck zwischen Sebastian, Nils und Sven hin und her pingpongte, in der Hoffnung, den Hut auffangen zu können. Meine frustrierten Versuche stärkten die Jungs nur in ihrem Eifer, noch schadenfroher zu lachen, bis sie den Hut schließlich auf den Boden warfen. Denn die Pausenglocke, die sie an ihre Pflichten als Grundschulkinder erinnerte, läutete laut. Beim Läuten des Pausenendes mussten wir Kinder sofort zurück in unsere Klassenräume. Beim Läuten ließen wir alles liegen, um wie Hündchen in die Klassenräume zu rennen. Denn kurz darauf folgte ein zweites Läuten, um den Beginn des Unterrichts markierte.
An diesem Tag sollten wir beginnen, Ideen für unsere Sankt-Martin-Laternen zu sammeln, denn der Zug sollte in ein paar Wochen stattfinden. Jedes Jahr bastelten wir gemeinsam mit Frau W. Laternen, mit denen wir am 11. November durch Odenkirchen liefen und Lieder über Sankt Martin sangen, einem ungarisch-römischen Ritter, der im kalten Winter seinen Mantel durch die Mitte riß um ihn einem armen Mann gab.
“Sankt Martin ritt durch Schnee und Wind, sein Ross, das trug ihn fort geschwind. Sankt Martin ritt mit leichtem Mut. Sein Mantel deckt ihn warm und gut. Im Schnee da saß ein armer Mann, hatt’ Kleider nicht, hatt’ Lumpen an. Oh, helft mir doch in meiner Not, sonst ist der bittre Frost mein Tod! Sankt Martin zog die Zügel an. Sein Ross stand still beim armen Mann. Sankt Martin mit dem Schwerte teilt den warmen Mantel unverweilt. Sankt Martin gab den halben still, der Bettler rasch ihm danken will. Sankt Martin aber ritt in Eil hinweg mit seinem Mantelteil.”
In derselben Nacht soll der arme Mann Sankt Martin im Traum erschienen sein. Dieser bestätigte ihm, er, Jesus sei es gewesen der als armer, frierender Mann vor den Toren saß. Am nächsten wurde Martin Christ und ließ sich taufen.
Ich stand für ein paar ewige Minuten regungslos, unfähig meinen Körper zu bewegen, betäubt dort, wo mich Sebastian, Nils und Sven stehen gelassen hatten. Ein heftiger Schauerregen setzte ein.
© LilaQumash 2023-08-13