Mein größter Luxus an Samstag Vormittagen war ein leckerer Cappuccino bei Nico zu Hause. Anfangs bereitete ihn mir immer seine Mutter zu. Als Nico schließlich älter wurde, übernahm er die Aufgabe mir an jedem unserer Treffen einen Cappuccino zu zaubern. Ich konnte mir immer die Kaffeekapsel aussuchen, selten passierte es, dass Nico einen seltsamen Geschmack erwischte und nur ein einziges Mal musste ich den Kaffee in die Spüle schütten. Nico war sich meiner Kaffeeliebe bewusst und bot mir jedes Mal, wenn ich schlechte Laune hatte, einen Kaffee an. Nico: “Was hast du denn heute? Schlecht aufgewacht? Ich mache dir einen Cappuccino” oder: “Heute bist du unerträglich! Trink deinen Kaffee!”
Seine Barista Skills wurden mit den Jahren immer besser und schließlich hatten sie es sich verdient, videografisch festgehalten zu werden. In den 5 Minuten, in denen er meinen Kaffee zubereitete, filmte ich ihn. Dieses kurze Video könnte als Werbung für Nescafé durchgehen. Alle 2 Sekunden zwinkerte Nico verführerisch in die Kamera, ließ den Milchkarton elegant durch die Luft fliegen und schaffte sogar ein künstlerisches Muster mit dem Milchschaum. Mich wunderte es nun gar nicht mehr, dass er den Mädchen in seinem Alter den Kopf verdrehte. Manchmal vergaß Nico meinen Kaffee. Dann musste ich ihn mit einem Wink mit dem Zaunpfahl daran erinnern. „Heute habe ich noch keinen einzigen Kaffee getrunken!“, sagte ich und schaute ihn erwartungsvoll an. Oder ich machte ein Video, zoomte auf die Kaffeemaschine und schickte es ihm. Als er das Video schließlich sah, grinste er nur und stand wortlos auf, um seiner Pflicht nachzugehen.
Neben dem Kaffeekränzchen war Hauptinhalt unserer Treffen aber natürlich die deutsche Sprache. Ich bemühte mich, schönes Hochdeutsch mit Nico zu sprechen und Nico saugte jedes neue Wort wie ein Schwamm auf. Er ist unglaublich sprachentalentiert, ich habe bis heute riesigen Respekt vor ihm. Bereits 9 Jahre überlebte er in deutschsprachigen Schulen, kämpfte sich durch, strengte sich an. Und meist wird er dann auch fair für seine Arbeit belohnt. Doch dieser Weg war nicht immer leicht für ihn, ein paar grammatikalische Stolpersteine gibt es vielleicht heute noch. Meine Unterbrechungen, indem ich ihn mitten im Satz ausbesserte, nervten ihn anfangs noch sehr.
Nico: “Das ist nicht zum Lachen, sondern zum Weinen, dass du mich dauernd unterbrichst!”
Mittlerweile nahm er sie, glaube ich, gar nicht mehr wahr. Über die Jahre sammelte ich neben seinen Kommentaren auch lustige Fehler, die er machte. Er lacht heute selbst darüber, weshalb er auch nichts dagegen hatte, dass ich sie hier veröffentliche. Wenn man zweisprachig aufwächst wie Nico, fängt man an, die Sprachen zu vermischen oder italienische Wörter einfach zu “verdeutschen”. Die Gärtnerin wird zur Pflanzerin, die Französin zur Frankreicherin und die Geschwister zu “fratellen” [ital. fratelli]. Besonders kreativ war Nico in der Analyse der deutschen Sprache. Wie fügt sich ein Wort zusammen? Man kann es sich einfach machen und es wortwörtlich betrachten, wie beispielsweise: “Wird bevorzugt… Bevorbust, bevorflugzeugt, bevorhelikoptert!!!” So viele Möglichkeiten!
© Sofia Scherer 2025-06-29