Kapitel 1

Ronja Fischer

by Ronja Fischer

Story

Ein leises Knarzen ließ ihn aufschrecken. Er war nur kurz auf dem Sofa eingenickt. Draußen war es inzwischen dunkel geworden. Den Fernseher hatte er auf lautlos gestellt, nur die flackernden Bilder erhellten den Raum. Er richtete sich langsam auf, vergrub das Gesicht in seinen Händen. War da gerade jemand im Flur? Er stand auf. Schwerfällig ging er Richtung Flur. Plötzlich ein zweites Knarzen, nur ganz leise – weiter entfernt. Oder war es nur in seinem Kopf? Er ging langsam zur Tür, vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen. Im Flur schaute er sich langsam um, er atmete kaum. Nichts. Die Haustür war geschlossen. Er ging trotzdem auf sie zu, der Diele in der zweite Reihe vor der Tür wich er mit einem großen Schritt aus. Wenn hier jemand Fremdes im Haus war, dann sollte er nicht durch das Knarzen auf ihn aufmerksam werden. Er öffnete die Tür, schaute kurz raus. Nichts. Eigentlich bekam er es nicht so schnell mit der Angst zu tun. Doch gerade hörte er sein Herz in seinem Kopf hämmern, sein Mund war trocken, ihm wurde warm. Er rollte seine Lippen nach innen, befeuchtete sie mit seiner Zunge. Er schaute nochmal nach links und nach rechts. In der Ferne konnte er nichts erkennen, dafür war es zu dunkel. Er ging wieder ins Haus. Hier ist niemand. Er versuchte sich zu beruhigen. Trotzdem ließ er die Tür ganz vorsichtig und leise ins Schloss fallen, und auch wich er wieder der Diele aus. Er huschte zur Treppe und schaute nach oben. Dann ging er Stufe für Stufe nach oben. Immer noch angespannt. Seine Hände umklammerten das Geländer, er zog sich hoch. Immer noch war sein Mund trocken. Das Atmen fiel ihm jetzt noch schwerer. Oben angekommen blieb er fünf Sekunden stehen, holte leise tief Luft. Dann ging er zur Schlafzimmertür, öffnete sie nur einen Spalt und schaute in den Raum. Sie lag im Bett, das Gesicht zur gegenüberliegenden Wand, den Rücken ihm zugewandt. „Hey!“ Er flüsterte. Aber wenn sie wach wäre, würde sie es hören können. Doch sie regte sich nicht. Er hörte nur ihren tiefen ruhigen Atmen. Ein tiefes Einatmen. Pause. Ein leicht pfeifendes ausatmen. Ok, sie schläft. Er schloss die Tür. Seine Angst war verschwunden. Er atmete tief durch. Sein Mund verzog sich zu einem entspannten Lächeln. Warum sollte jemand im Haus sein? Vermutlich war das Knarzen nur in meinem Traum. Er ging wieder nach unten. In der Küche nahm er sich ein Glas und füllte es mit Leitungswasser. Dann ging er zurück ins Wohnzimmer, schaltete das Licht ein und den Fernseher aus. Er nahm ein paar kräftige Schlucke und stellte das fast vollständig geleerte Glas auf den Tisch. Völlig losgelöst von der vorangegangen Angst klatschte er in die Hände. So, wie spät ist es denn inzwischen? Er nahm sein Handy in die Hand und ließ sich den Sperrbildschirm anzeigen. 23:47. Schon so spät? Da habe ich wohl etwas länger schon auf dem Sofa geschlafen. Es war Samstagabend, er musste morgen nicht früh raus. Aber er wollte es sich angewöhnen möglichst auch am Wochenende zur gleichen Zeit ins Bett zu gehen wie auch in der Woche, um sich einen geregelten Schlafrhythmus anzueignen. Er stapelte die Post und räumte sie ins Regal, trank den letzten Schluck Wasser und blickte noch einmal umher. Sah ordentlich aus. Dann schaute er aus dem Fenster und sah in der Ferne zwei blaue Lichter. An. Aus. An. Aus. Und dann noch zwei weitere blaue Lichter. Sie waren nicht im Einklang, sodass es die ganze Zeit blau flackerte. Dann kamen noch zwei blaue Lichter dazu. Sind das drei Polizeiwagen?


© Ronja Fischer 2023-05-10

Genres
Novels & Stories, Suspense & Horror