Das Licht war zu hell. Und das Piepen zu schrill. Was? Evas Verstand schloss nicht Recht auf. Außerdem wurde sie abgelenkt, als Schmerz sich ihrer bemächtigte. Allgegenwärtig.
“Sie wacht auf!”, rief jemand, in seiner Stimme Erstaunen, Erleichterung. So viel Wärme. Eine Hand legte sich um ihre und noch mehr Wärme strömte in Evas kalte Finger, taute sie von innen auf. Doch ihr Körper war so schwer, so müde.
“Ganz ruhig, Schatz. Langsam. Mama holt den Arzt”, flüsterte ihr Vater, dessen Stimme sie erst jetzt erkannte. Da mischte sich ihr Bruder ein: “Du Wahnsinnige warst drei Tage im Koma nach einem Autounfall. Erinnerst du dich?”
Eva riss die Augen auf: “Das arme Wildschwein!”
Ihr Bruder lachte, obwohl seine Augen verdächtig glänzten: “Du gehst selbst fast drauf, aber dich interessiert die Wildsau, klar.”
Sie fühlte Schmerz und Wärme, aber Eva lächelte. Sie war am Leben. Sie bekam kaum mit, was die Ärzte sagten, aber ihr Bruder verstand auch mehr von all dem Fachjargon. Sollte er es ihr später erklären. Eva genoss einfach, dass sie am Leben war. Sie hatte Tod und Teufel ein Schnippchen geschlagen.
“Wie?”, fragte sie halblaut, ihre Stimme immer noch rau.
“Du hattest Glück”, rang sich ihr Bruder zu einer Antwort durch. “Auf der Straße ist sonst kein Schwein. Nur an dem Abend war da jemand.”
Dabei tauschten ihre Eltern einen Blick, der sie stutzig machte.
“Wer?”
Ein sachtes Klopfen zog ihre Aufmerksamkeit auf die Tür.
“Er”, sagte ihr Bruder. Eva klappte der Mund auf.
“Thomas”, flüsterte sie und er lächelte vorsichtig. Sie hatten sich vor Jahren getrennt… ach was, Eva war davon gerannt. Aus Angst.
“Ich bin froh, dass es dir gutgeht. Soweit”, sagte ihre erste große Liebe. Ihre einzige Liebe. Aber er stand immer noch in der Tür, als wäre sie ein scheues Tier, das er nicht noch einmal verschrecken wollte.
Genug. Nicht länger. Nie wieder.
Entschlossen hob Eva ihm ihre Hand entgegen. Seine Augen wurden groß, dann trat Thomas langsam zu ihr. Als sich seine Hand um ihre schloss, war es wie damals. Sie hätte ihn niemals gehen lassen sollen. Wenn sie noch eine Chance erhielt, Eva würde sie nutzen.
Das versprach sie nur mit einem Lächeln. Thomas, sich selbst und dem Leben.
© Corinna Winter 2023-05-24