Pflaster/Stütze

Karalyse

by Karalyse

Story

Ein Weinglas, das man herunterwirft, ist kaputt. Man nimmt eine Kehrschaufel, fegt die Scherben zusammen und schüttet sie in den nächsten Glascontainer. Niemand setzt sich hin und versucht aus dem Puzzle aus Glasscherben wieder ein Glas aufzubauen. Man weiß, dass das Glas nicht dazu in der Lage ist, Flüssigkeiten in sich zu behalten. Man weiß, dass es diesen Druck nicht standhält. Die schöne gläserne Fassade; Sie zerbricht. Sie fällt in sich zusammen. Die Scherben geben unter dem Druck nach.

Und obwohl das alles so verständlich ist, versteht es niemand. Man hat mich nicht zu Boden geworfen. Mehr hat man mich verworfen. Man hat mich verworfen, weil ich mich als ein Weinglas ausgegeben habe, obwohl ich ein Weißweinglas war. Ich wackle an der Tischkante. Ich bin ein Außenseiter an der Außenlinie und all mein Inhalt und meine Fülle bringt mich zum Stürzen. Anschein war ich eine zu große Last, die immer größer wurde, und damit schließlich auf dem Boden fiel.

Der Unterschied ist, dass man versucht mir zu helfen. Wenn man es doch wirklich Hilfe nennen kann. Selbstheilung und Selbstrefelexion bringen mich als zerbrochenes etwas wieder zurück auf den Tisch. Sätze wie Stell dich nicht so an oder Das ist doch nicht so schlimm oder Zeit heilt alle Wunden bringen mich an die Tischkante zurück. Man glaubt, das Probleme gelöst werden können. Aber man kann sie nicht lösen. Man kommt nicht an einen damaligen Zustand zurück. Man lernt mit den Problemen zu leben. Nichts und niemand kann Situationen umkehren. Niemand kann das gebrochene Glas in die damalige Form bringen.

Die eben genannte “Hilfe” ist keine Hilfe. Es ist eine Abkehr von der Realität und das Draufhauen auf die Scherben mit einem Hammer. Es ist das Ablehnen von Problemen. Es ist zerstörisch und schmerzhaft.

Das Beseitigen der Scherben und die Beseitigung dessen in einem Glascontainer,ist das Ignorieren. Es ist das Ignorieren von Problemen. Es wird wahrgenommen, dass man mir keine Hilfe sein kann, egal wie man es versucht. Man ist kein Teil der Gesellschaft.

Menschen, die trotzdem versuchen einem zu helfen, sind einfach da. Sie beschäftigen sich mit dir, setzen dich zusammen und stützen dich. Sie puzzeln mit dir und stabilisieren dich so lange mit Pflastern, bis man mich in eine neue Form gießt. Sie kleben Pflaster über die Scherben. Sie sehen die Probleme und die Situationen. Sie lassen es zu, dass man sich so zerbrochen zeigen kann.

An manchen Tagen ist dieses Pflaster das Wertvollste.

© Karalyse 2024-10-20

Genres
Novels & Stories
Moods
Emotional, Traurig, Angespannt
Hashtags