Eines Tages kam Haruka nicht. Ich wartete lang auf sie. So lange, dass der Mond anfing über mir zu scheinen, wie ein Medaillon. So lange, dass der Polarstern mir zuzwinkerte. So lange, dass die Mitternachtsblume wie ein Meer voller glänzender Sterne leuchtete. Ich wartete und als sie nicht kam, blickte ich hoch zu dem Zeus und wünschte mir…
Sie liebte doch den Mond. Und doch trafen wir uns immer nur bei Sonnenschein, denn: „Der Mond beschützt mich und all die Frauen und Kinder dort draußen, wie eine helfende Hand legt es sein Licht über uns und lässt all die Dunkelheit verschwinden.”
„Aber?”
Erst eine Hand auf meiner Schulter ließ mich den Kopf nach hinten drehen. Ein junger Mann stand dort. Seine Schönheit strahlte mir geradezu entgegen, als wäre er eine von Michelangelo geschlagene Statue aus dem sechzehnten Jahrhundert. Seine blonden Locken leuchteten wie ein Heiligenschein auf seinem Kopf. Als wäre er von den Göttern gesegnet, hielt er mir eine Rose hin. Ohne zu wissen, wer er war, nahm ich sie ihm entgegen und als unsere Finger sich streiften, so setzte das Herz ein Schlag aus. Meine Lider schlossen sich und mein Kopf senkte sich, so roch ich an der fruchtig-herben Rose, dessen Duft wie ein Heilmittel in meine Nase stieg. Doch als ich wieder aufblickte, meine Augen öffnete und in dessen seiner sah, so sah ich den Gott des Lichtes in seinen Spiegeln, die mich lieblich anblickten.
Er sang mir ein Lied, ein Lied der Vorboten und seine Stimme triefte voller Honig, umschloss die Melodie mit einem hellen Klang. Er öffnete neue Welten, neue Meere in die ich tief eintauchte. Er hielt meine Hand, so fest, dass ich Angst hatte zu fallen. Angst zu fallen in die Hyazinthenwiese, Angst zu fallen in das Wasser, in den Fluss, um dort zu ertrinken. Also ich hielt ich mich fest, klammerte mich an ihn und tauchte ein in seine liebliche Stimme, dessen Gesang all die Blumen zum Leben erweckte.
Als er endete, blinzelte ich ihn an. Dunkelheit legte sich über uns und mit wissenden Augen besah er mich mit einem trauernden Blick, als würde er mein Schicksal vorhersehen. Als würde all die Trauer der Welt sich in seinen Augen vereinen, hielt er meine Hand fester und lächelte leicht. Seine Lippen so rot wie Blut.
„Aber wo Licht ist, ist auch Schatten.”
© Ayleen Rauschenbach 2023-08-16