Sag, warum bist du denn so still!

Daniela Kail

by Daniela Kail

Story

„Sag, warum bist du denn so schĂŒchtern? Sag doch mal was.“ Ich kann diese SĂ€tze einfach nicht mehr hören! Es reicht! In dieser lauten Gesellschaft, wo Erfolg und Durchsetzungskraft mit LautstĂ€rke gleichgesetzt wird, haben es ruhige, empathische Menschen ziemlich schwer. Ich dachte lange Zeit, dass etwas mit mir nicht stimmt. Ich versuchte, mich zu Ă€ndern. Aber je mehr ich es versuchte, desto unglĂŒcklicher und stiller wurde ich.

Als Teenager hatte ich besonders viele Probleme damit. Ich mochte weder meinen Körper noch meine Persönlichkeit. Und die Signale von der Außenwelt bestĂ€tigten meine Gedanken immer wieder. Ich hatte nichts, womit ich mein Selbstbewusstsein aufbauen hĂ€tte können, denn ich war nur eine mittelprĂ€chtige SchĂŒlerin, ruhig, nicht besonders schön und kein erkennbares Talent in Sicht.

Meine Einstellung zu mir selbst Ă€nderte sich langsam, als ich mit 17 die Schule wechselte und zum ersten Mal in meinem Leben eine intakte, gut funktionierende Klassengemeinschaft erleben durfte. Ich war die Dani aus Mistelbach und wurde so akzeptiert wie ich war – Fertig! Ich wurde in alle AktivitĂ€ten mit einbezogen, hatte Freunde und genoss das Partyleben in vollen ZĂŒgen.

FrĂŒher dachte ich immer, ich wĂ€re einfach extrem schĂŒchtern. Jetzt weiß ich, dass ich das keinesfalls bin, vielmehr bezeichne bin mich als introvertiert. Viele verwechseln die zwei Begriffe. Der Unterschied ist einfach erklĂ€rt: schĂŒchterne Menschen haben vor allem Angst vor ZurĂŒckweisung oder Kritik. Als introvertierter Mensch jedoch, fĂŒhle mich in grĂ¶ĂŸeren Gruppen einfach nicht wohl, Small Talk kann ich nicht leiden und laute Menschen verursachen mir Kopfschmerzen. Ich hasse es, wenn alle Augen auf mich gerichtet sind und eine Antwort von mir erwartet wird.

Andererseits bin ich in gewissen Situationen wieder extrem mutig, beobachte gerne, höre gut zu und gebe meine Meinung dann zum Besten, wann ich es fĂŒr richtig halte. Ich denke, bevor ich spreche. Ich bereite meine Antworten auf Fragen immer sorgfĂ€ltig im Kopf vor. Ich treffe meine Entscheidungen immer wohlĂŒberlegt und nie spontan. Ich kann auch laut sein, wenn es notwendig ist.

Ich bin sehr gerne allein, nutze die Zeit, um zu lesen, nachzudenken oder einfach um Geschichten zu schreiben. Ich brauche meine Familie um mich herum, gleichzeitig brauche ich aber auch einen RĂŒckzugsort NUR fĂŒr mich.

Seit ich all diese Dinge ĂŒber mich weiß, geht es mir viel besser. Ich kann daran arbeiten, meine StĂ€rken auszubauen und meine SchwĂ€chen zu bekĂ€mpfen. Ich habe Freude am Leben, bin offen fĂŒr allerlei VerrĂŒcktheiten und genieße mein „Anderssein“ in vollen ZĂŒgen.

„Nur ein Wort und du glaubst mich zu kennen

Nur ein Blick und du denkst, du weißt wer ich bin

Ich bin ich, manchmal laut und manchmal leise,

ICH bin ICH auf meine Art und Weise“ (aus dem Song “Ich bin ich” von Glasperlenspiel)

© Daniela Kail 2021-11-14

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