Wenn man der Bibel glaubt, war am Anfang das Wort und das Wort war bei Gott. Als ich das erste Mal meine Augen öffnete, war da das Nichts. Und von einem Gott keine Spur. Nur pechschwarzes Nichts und eine Stille, so laut, dass sie in meinen Ohren schmerzte. Ich wusste nicht, wer oder was ich war, wo ich war oder woher ich kam. Nur, dass ich war. Dass ich existierte. Ich fühlte, dass ich einen Körper hatte, doch ich fand keinen Halt. Es war, als schwebte ich in einem luftleeren Raum. Und es war warm. Nein, nicht warm. Es war heiß. Ich verharrte in dieser brennenden Finsternis und versuchte irgendetwas, außer Feuer und Leere zu spüren. Wartete eine Ewigkeit. Monate, Jahre, länger. Vielleicht aber auch nur einen Augenblick. Es ist schwierig zu sagen, wie die Zeit im Nichts funktioniert. Ich schloss meine Augen, während ich wartete, denn die Finsternis war mit geschlossenen Augen leichter zu ertragen. Erklärlicher für den Verstand und das war essenziell, wenn man ihn nicht verlieren wollte. Ich wartete. Dann kam der Sog. So stark, dass mein Körper zu zerreißen drohte. Als ich meine Augen das nächste Mal öffnete, war ich an einem Ort, der mir eigentümlich und falsch erschien, obgleich ich keinen anderen Ort außer dem Nichts kannte. Die Erleichterung, der Leere entkommen zu sein, wurde von der Furcht vor dem Unbekannten verdrängt, die unbarmherzig gegen meine Brust hämmerte. Ich lag auf dem Boden, das Gesicht nach links gewandt, als hätte ich geschlafen. Habe ich jemals geschlafen? Die Oberfläche war staubig. Körniger Dreck schabte über meine Wange, als ich versuchte, den Kopf zu heben. Meine Sicht war verschwommen, hunderte kleiner Punkte tanzten vor meinen Augen als hätte ich zu lange in die Sonne geblickt. Ich zuckte bei diesem Vergleich unwillkürlich zusammen, denn da war ein unterbewusstes Wissen, das ich nicht einordnen konnte. Erst jetzt bemerkte ich unzählige Füße, die um mich herumgingen oder über mich hinwegstiegen. Langgliedrige Wesen sagten Dinge, die ich nicht verstand, doch der Ton verriet mir, dass sie wütend waren. "Mitten auf der Straße", "erschlagen", "Halbblüter". Ich öffnete meinen Mund, um etwas zu sagen, doch kein Laut wollte meiner trockenen Kehle entweichen. Ich hatte Gedanken, die ich nicht in Worte fassen konnte. Mit den Händen befühlte ich den rauen Grund und versuchte, mich nach oben zu drücken. Es gelang mir, mich aufzurichten, doch meine Beine zitterten als gebrauchte ich sie zum ersten Mal. Langes, schwarzes Haar - mein Haar - fiel mir ins Gesicht und ich streifte es mit einer ungelenken Bewegung hinter die Ohren. Meine Sicht war nun besser, und ich stellte fest, dass ich klein war. Viel kleiner als alle anderen. "Geh zur Seite, Kind, bevor ich dir einen Satz heißer Ohren verpasse!", der Mann, der mich mit einem glühenden Eisenspieß zu verjagen versuchte, hatte Ziegenbeine, einen langen Bart und zog einen Karren hinter sich her. Etwas sagte mir, dass das nicht normal war und ich von hier verschwinden musste. Mein Kopf schmerzte von dem Lärm, der die allgegenwärtige Stille verdrängt hatte und ich rannte los, ohne nachzusehen, wohin. Rannte, soweit mich meine kurzen Beine trugen. Es war mir egal, ob ich mit nackten Füßen über Steine und Scherben lief. Ich schob mich wendig durch das dichte Gedränge, vorbei an Ständen, die Essen verkauften und baufälligen Gebäuden. Ich schloss die Augen, weil da so vieles war, das falsch war und rannte, bis ich in einer Seitengasse Ruhe fand.