13_Tiger

Koboko Hyun

von Koboko Hyun

Story
Seoul

Fill my heart with song

Let me sing forevermore

You are all I long for,

all I worship and adore

Dann sah ich ihn durch den Rückspiegel an. Einen Teil seines unglaubwürdigen und zugleich durch und durch ehrlichen Lächelns trug er immer noch in seinem Gesicht. Es erinnerte mich daran, wie… Ich bekam das Gefühl nicht recht zu fassen. Dieses Gefühl war etwas, das ich im Laufe der Jahre als merkwürdig wahr entdeckt habe. Manchmal, wenn einem schreckliche Dinge passieren, kann es eine Art Erleichterung sein, wenn das Schreckliche endlich an die Oberfläche kommt. Dann muss man sich nicht mehr anspannen und fragt sich nicht mehr ständig: „Was würde passieren, wenn diese schreckliche Sache eintritt?“ Man redet sich nicht mehr ein: „Ich hoffe, diese schreckliche Sache wird nicht eintreten.“ Und dann wacht man eines Tages auf und hat seinen Job verloren, seine Frau, seine Heimat oder was auch immer, und denkt: „Oh, okay gut. Ich habe meinen Job verloren. Darüber muss ich mir keine Sorgen mehr machen.“

Ein paar Minuten später aßen wir etwas zusammen in einem kleinen Deli. Ich hatte keinen Hunger, da die Hitze und der Besuch in „Onkel Yashis Tierheim“ mir noch schwer auf den Magen drückte. Ich hatte immer noch ein flaues Gefühl in meinem Bauch, weil ich an das Geräusch dachte, das die Schere gemacht hatte, als die kräftigen Hände des Mannes eine routinierte Bewegung machten und sich die Klingen der Schere trafen. Ich musste wieder an das Geräusch von zerschnittenem Muskelfleisch denken und an den metallischen Geruch von Eisen.

Jetzt wusste ich, warum er so komisch lächelte. Er lächelte so seltsam, weil es ihm peinlich war. Er schämte sich für seine Arbeit. Darum hatte er mir gesagt, dass er in einem Tierheim arbeitet. Zwischen meinen Erinnerungen an den Geruch von Eisen und den Klang zerschnittener Muskeln unterbrach er meine Gedanken. „Ein eiskaltes Bier“, sagte er zufrieden. „Manchmal braucht man das.“ Ich nickte. Er streichelte das Etikett seines Tiger Biers mit seinem Daumen. Dann umfasste er die Flasche mit der Hand und nahm einen Schluck. Seine Wangen blähten sich abwechselnd auf. Er verteilte das Bier in seinem Mund und schluckte es dann in einem Zug runter. „Es ist nicht das beste Bier. Aber es erinnert mich an die Küste. Ist wirklich schön da unten. Vor allem die Yong-Sun Straße, die an der Küste entlangführt. Über die Yong-Sun zu fahren, ist wie mit einem Schlitten den Berg runterzurutschen. Man gleitet nur so dahin.“ Er nahm noch einen Schluck von dem Tiger Bier. Mir fiel das Emblem des Tigers auf, das sich auf dem Etikett befand. Kaum wahrnehmbar funkelte es im abnehmenden Licht auf, wie die goldglänzenden Hundehaare, die als Flaum von dem Metalltisch herabgeschwebt waren.

„Du musst ihn in den Nacken drücken“, sagte Onkel Yashi.

© Koboko Hyun 2023-08-24

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Mysteriös, Reflektierend, Angespannt