von Cornelia Jost
Wenn Damian geglaubt hatte, dass sein Tag mit dem abgeholten Anzug nicht verrückter hätte laufen können, so hatte er sich getäuscht. Es war nur ein Donnerstag, dennoch hatten ihnen die Besucher*Innen förmlich die Bude eingerannt. Für Damian gab es keinen ersichtlichen Grund, weshalb ausgerechnet heute. Es stand kein Feiertag an, keines der irischen Teams hatte gewonnen – es hatte noch nicht einmal Spiele gegeben – und das Wochenende fing auch erst morgen an.
„Was für ein Abend!“, rief Maureen aus, als sie das letzte gespülte Glas in das Regal hinter der Theke räumte.
„Das kannst du wohl laut sagen. Geh schon mal vor, ich erledige den Rest.“ Er klopfte ihr im Vorbeigehen auf die Schulter. Sie nickte und winkte, ehe sie im hinteren Teil des Pubs verschwand. Er wischte die Theke ab, ließ das Wasser aus der Spüle und ging dann um die Theke herum, um die Stühle hochzustellen.
Als alles wieder ordentlich war, schaute er sich in seinem Pub um. Er hatte ihn vor zwanzig Jahren von seinem Vater übernommen und es sah noch genauso aus wie damals. Dunkle Holzvertäfelung, von Tausenden von Durstigen abgetretene Dielen und mahagonifarbene Drehstühle mit roten Samtbezügen. An den Wänden hingen Trophäen der Mannschaften, die der Pub seit seiner Gründung durch seinen Urgroßvater 1934 unterstützte. Von GAA Football über Hurling bis hin zu Rugby war alles vertreten. Seine Vorfahren hatten sich vor allem um den Nachwuchs verdient gemacht.
Er legte sich die Hand auf die Brust und sah zur Decke hinauf. „Wenn du das sehen könntest, Dad, ich glaube du wärst stolz. Dass der Pub immer noch läuft. Und das Aisling in diesem Monat heiratet. Dein kleines Mädchen ist endgültig erwachsen.“ Er gluckste. „Und dein Sohn wohl auch, denn er hat sich für den großen Tag einen neuen Anzug gekauft. Endlich.“
Er machte das Licht im Schankraum aus und ging in die Personalräume. Es brannte nur noch die Notbeleuchtung, aber auch die reichte aus, um sich zurecht zu finden. Die Spinde des Personals waren abschließbar, doch der Karton mit dem Anzug war zu groß, um ihn dort zu verstauen. Deshalb hatte er ihn auf dem Schuhregal für die Küchencrew abgestellt. Als er ihn anhob, stutzte er. So ein Anzug wog nicht viel, doch was er jetzt in der Hand hatte, war viel zu leicht. Mit einem unguten Gefühl schob er den Deckel zur Seite.
© Cornelia Jost 2022-05-01