„Mit alten Pfannen lernt man das Kochen.“ Mitte 20 datete ich einen Mann, der jünger war als ich und mich zum ersten Mal mit dieser Aussage vertraut machte. Damals hatte ich mir geschworen, die Finger von jüngeren Männern zu lassen – welche Frau will schon als „alte Pfanne“, wahlweise als „alte Schachtel“ tituliert werden? Jahrzehnte konnte ich diesem Vorsatz treu bleiben, bis zu diesem einen Tag in Istanbul, als mich ein 33jähriger ins Visier nahm. Der Altersunterschied war groß genug, als dass er mein Sohn hätte sein können, doch davon wollte er nichts wissen. Und das blieb auch ein Jahr lang so, indem er mich nach meiner Abreise davon überzeugen wollte, doch zu ihm zurückzukommen und endlich zu tun, was er bereits beim ersten Blick in meine Augen visualisiert hatte.
Ich fand interessant, was sein Verhalten in mir auslöste. Zuerst einmal war ich verwirrt, weil ich merkte, wie sich die Beschäftigung mit meiner Weiblichkeit ganz konkret auszuwirken schien. Andererseits hing die „alte Pfanne“ immer noch im hintersten Winkel meiner Erinnerung. Und immer, wenn ich etwas nicht einordnen kann, rede ich mit Menschen. In diesem Fall traf es sich gut, dass ich bei einer Beisltour einen Bekannten in seinen Dreißigern darauf ansprechen konnte. Er meinte, dass es ein Kompliment für mich sei, wenn mich ein jüngerer Mann begehren würde. Mein jüngster Sohn bestätigte das.
Damit begann ein Umdenken in meinem Mindset. Und weil die Energie dorthin fließt, wo die Aufmerksamkeit hin strebt, stolperte ich über einen Artikel, der sich genau mit diesem Thema beschäftigte. Und erklärte, was jüngere Männer an älteren Frauen fasziniert. Für sie waren wir reifen Frauen ein Ruhepol, der sich nicht vom alltägliche Kleinklein der jüngeren Frauen aus der Ruhe bringen ließ, weil er das alles schon gesehen und im besten Fall für erledigt hielt. Sie schätzten an uns reifen Frauen die Gelassenheit, die Weisheit und die Tatsache, dass wir wussten, was wir wollten. Zumindest schien das ihre Hoffnung zu sein.
Mich versöhnte dieser Blickwinkel mit meinem Vorurteil, nur ein Gebrauchsgegenstand zu sein. Vielmehr lernte ich, auf mich selbst in dieser Art und Weise zu blicken. Dass ich tatsächlich etwas zu bieten hatte, was auch für Männer jenseits meines eigenen Altersspektrums begehrenswert erschien. Dass es gar nicht so auf die Falten im Gesicht, die grauen Strähnen im Haar oder das eine Speckröllchen ankommt in der zwischenmenschlichen Begegnung, sondern auf die Ausstrahlung. Dass es am Ende des Tages die Frau selbst ist, die sich Grenzen auferlegt, wenn es um Begegnungen mit Männern geht.
Einige Jahre später bin ich nach Istanbul zurückgekehrt und habe diesen jungen Mann durch Zufall wieder getroffen. Er war inzwischen verheiratet und zweifacher Vater. Ich gratulierte ihm und dankte ihm für die Erfahrung, die mich so viel gelehrt hatte.
© Claudia Dabringer 2022-10-02