von Inga
Bei der Apotheke sage ich den Satz auf, den ich auf dem Weg hierher im Kopf geübt habe, während Milad und ich schweigend nebeneinander herliefen. “Hallo” – lächeln – “wir hatten gerade eben eine Verhütungspanne und ich hätte gerne die Pille Danach.“
Das Wort “Verhütungspanne” finde ich peinlich, aber mir fällt auch nichts Besseres ein. Die Apothekerin ist nett, jung und langweilig, und spricht in so diskreter und leiser Stimme, dass ich mehrfach “wie bitte?” sagen muss. Ich finde, sie macht ihren Job gut, denn sie ist nicht gemein, verurteilt mich nicht für meinen montagmorgendlichen Sex, und warnt mich, die zahllosen Nebenwirkungen herunterratternd, unter anderem vor Durchfall, Unterleibsschmerzen, Schwindel, Blutungen, Erbrechen und der Möglichkeit, dass es bereits zu spät sein könnte.
Die Tablette kostet 17,20€, Milad bietet an, zu zahlen, aber ich winke ab, keine Ahnung, warum. Wir setzen uns auf eine Bank an der nächsten Haltestelle, damit ich sie schlucken kann. Ich würde mir am Liebsten erst einmal in Ruhe die ganze Packungsbeilage durchlesen, aber Milad rät mir, es nicht zu tun, die Apothekerin hatte schließlich gemeint, ich solle die Pille so schnell wie möglich einnehmen.
Ich spüle sie mit einem Schluck Wasser aus meiner Trinkflasche herunter und denke über die Magie dessen nach, ein potentielles Menschenleben zu verhindern, indem man zwischen Tauben und Vogelscheiße 2g gepresstes Pulver mit verkalktem warmen Leitungswasser von vorgestern herunterspült. Wir gehen zu dm, um vorsichtshalber Tampons zu kaufen, für den Fall, dass Blutungen eintreten. Kurz vor dem Haarfarbenregal wird mir schwarz vor Augen. Ich weiß nicht, ob es an der brütenden Hitze draußen liegt, an der Klimaanlagenluft hier drinnen, an den Hormonen, der Angst, der Erleichtung. Es ist auch fast egal. Milad möchte sich noch die Haarpflegeprodukte anschauen, er sucht einen Leave-in Conditioner für seine Locken, während ich mich am Essie-Nagellackregal festhalte. Wir gehen Burger essen, er zahlt, weil ich in der Apotheke bezahlt habe, 18€ inklusive Trinkgeld, die Welt wieder im Gleichgewicht.
Wir spazieren bis zur Donau und breiten meine Picknickdecke an einem schmalen Streifen Steinstrand aus. Es ist das erste Mal Schwimmen in der Donau für beide von uns, und wir unterschätzen den Strom des breiten Flusses. Von hier aus sieht man die Kunstuni, das Schlossmuseum, die Donaulände, die Nibelungenbrücke, all die Schauplätze unseres Alltags, und gleichzeitig stehen wir hüfttief fast nackt im kalten Flusswasser unter der heißen Sonne an einem frühen Montagnachmittag. Milad wackelt ein wenig hin und her, der Steinboden ist uneben, es ist schwierig, sich zu halten, und plötzlich können wir nicht mehr aufhören zu lachen.
Ein paar Stunden später trinken wir eine Cola in der Abendsonne und er erzählt mir, dass er in diesem Moment glücklich war.
© Inga 2022-08-30