von EL-Lumiel
In der vergangenen Nacht war ich wieder bei Lissy, ich möchte sie in dieser schweren Zeit nicht alleine lassen. Ich habe ihre Hand gehalten und wollte sie gar nicht mehr loslassen. Ich konnte es nicht. Die Angst sie nochmal zu verlieren war viel zu groß. Ich sehe in ihren Augen, die Angst, die sie hat, dass der Kerl wieder auftauchen könnte. Ich habe ihr noch nicht gesagt, das das nicht mehr passieren wird. Ich will, das sie stabil ist, wenn ich ihr das sage. Das sie es gut auffassen kann und das sich ihr Zustand dadurch nicht wieder verschlechtert.
Von den Ärzten weiß ich, das heute ein Verbandswechsel ihrer Wunden durchgeführt wird. Ich wollte eigentlich nach Hause, duschen und mich umziehen, danach wäre ich sofort wieder zu ihr gekommen. Unter diesen Umständen jedoch werde ich sie nicht alleine lassen. Ich habe ihre Wunden gesehen, ich weiß, wo ihre Wunden sind und mir ist klar, dass sie mich braucht, wenn sie ihre Wunden sieht. Dabei geht es nicht mal um die Wunden an den Armen, der Wunde am Bauch oder denen am Kopf. Hierbei geht es um die Wunde an ihrem Bein. Die größte Wunde die sie hat. Ihr Schatten wusste natürlich wie er sie brechen kann, was er ihr für Schmerzen zufügen muss, um sie weiterhin gefügig zu machen, hat aber nicht damit gerechnet das ich auftauche. Lissy hat an ihrem Bein ein wunderschönes Tattoo in Form einer Pfingstrose und einem Schmetterling. Als wir uns kennenlernten war das mitunter das Erste, was sie mir gezeigt hat, sie war unendlich stolz darauf. Es bedeutet ihr so viel, dieses so harmlos aussehende Tattoo, bedeutet ihr die Welt. Nachdem eine wichtige Person in ihrem Leben verstorben ist, hat sie sich das Tattoo stechen lassen, um diese Person zu ehren und immer bei sich zu tragen. Was sie bis jetzt jedoch nicht weiß ist, dass der Schatten das Bild völlig verunstaltet hat. Sie hat etliche Wunden auf dem Motiv. Als diese frisch waren, konnte man das ursprüngliche Bild nicht mehr erkennen. Er wusste, was es ihr bedeutet. Er wusste alles von ihr. Schließlich waren die beiden ein Paar und das nicht gerade kurz.
So wie Lissy mit erzählt hatte, war das von ihrer Seite schon lange keine Beziehung mehr. Als sie zu ihm gezogen ist, hat sie schnell erkannt das er ihr nur etwas vorgemacht hatte. In der Beziehung aber war er ihr gegenüber schon gewalttätig und hat sie bedroht. Sie war sehr lange nur noch bei ihm aus Angst. Aus Angst, weil er ihr mit der Polizei drohte, er sagte ihr regelmäßig, das sie an allem Schuld sei. Das, was er ihr angetan hatte, wollte er gegen sie verwenden und sie damit anzeigen. Sie war oft genug im Krankenhaus gelegen mit Gehirnerschütterungen oder irgendwelchen Prellungen, welche er verursacht hat. Sie hätte also beweisen können, dass er nur gelogen hatte. Die Angst jedoch hemmte sie davor. Sie war alleine, weit weg von ihren Eltern, von ihrer Familie. Bis sie mich getroffen hat. Wir haben oft stundenlang telefoniert. Ich habe mitbekommen wie er mit ihr umgeht, wie er sie beschimpft, wie er sie schlägt und noch viel Schlimmeres. Immer hat sie mich jedoch gebeten das keinem zu sagen. Ich wollte ihr Zeit lassen, bis sie es dann endlich von ihm los geschafft hat. Zumindest glaubten wir das. Bis er anfing uns beide zu verfolgen.
© EL-Lumiel 2023-08-30