9: Von Mutter zu Sohn

Sabine Knauf

von Sabine Knauf

Story

Mühsam schleppte ich mich in unser Badezimmer, denn meine Nase blutete noch immer. Deshalb brauche ich dringend etwas, um die Blutung zu stoppen. Während ich ein Handtuch behutsam gegen meine Nase presste, öffnete sich vorsichtig die Tür. Natürlich erkannte ich sofort meine Mama, die besorgt zu mir kam. Auch mir fiel inzwischen auf, wie schlecht es ihr ging, weshalb ich mir vornahm, nicht mit ihr über meinen Streit mit meinem Erzeuger zu sprechen. Auf ihre Frage was passiert sei, wank’ ich ab und versuchte, ihr glaubhaft etwas vorzulügen. Wie nicht anders zu erwarten durchschaute sie meinen Schwindel auf der Stelle. Zu meinem Leidwesen zauberte meine Mama wie von Geisterhand die Überreste meines Telefons aus der Tasche ihres Bademantels. Da es nun keinen Sinn mehr hatte sie anzuschwindeln, schüttete ich ihr widerwillig mein Herz aus, während ich dies tat, kümmerte sie sich um meine geschundene Nase. Es fühlte sich gut an, wie sie mich um sorgte. Seit ich danken ist sie für mich da, Mama versteht und unterstützt mich, allein deswegen nahm ich mir vor auch für sie da zu sein, immerhin braucht sie mich jetzt. Um ihr zu zeigen, dass ich immer für sie da sein werde, stellte ich ihr unsicher meine erste Frage. „Wie geht es dir? Der Alte hat behauptet, du hast Krebs und naja, ich will ihn das nicht glauben.“ Ohne es zu wollen, sammelten sich Tränen in meinen Augen, auf der Stelle nahm sie mich in den Arm, zum ersten Mal bemerkte ich, wie abgemagert meine Mama ist. Inzwischen realisierte selbst ich, dass es nicht gut um ihre Gesundheit steht. „Ich habe Angst. Bitte, du darfst mich nicht mit ihm alleine lassen. Das ertrage ich nicht.“ Stumm streichelte sie mir über meinen Kopf. Während ich von ihr festgehalten wurde, kam ich mir wie ein kleiner Junge vor, der sich schützend an seine Mutter klammert. Selbst wenn ich schon fast erwachsen bin, störte es, mich nicht ihre Nähe zuzulassen, schließlich tat es mir gut, dass sie mir zeigt, wie sehr sie mich liebt. Und ich wollte ihr ebenfalls zeigen, wie lieb ich sie habe. Nach jenem emotionalen Augenblick sprach sie zum ersten Mal offen mit mir über ihre Krankheit, noch dazu schockierte es mich, wie schlecht es inzwischen um sie stand. „Ich finde es wichtig, dass du nicht wütend auf deinen Papa bist. Er hat es zurzeit ebenfalls schwer, denn meine Diagnose belastet ihm sehr. Denn es sieht nicht gut aus, die Ärzte geben mir höchstens ein paar Monate. Deshalb finde ich es wichtig, endlich mit dir über meine Krankheit zu reden. Selbst wenn Volker es nicht zeigen kann, weiß ich, dass er dich liebt. Schließlich bist du sein ganzer Stolz. Habe ich dir eigentlich erzählt, dass meine Frauenärztin dachte, dass du ein Mädchen wirst?“ Überrascht schüttelte ich mit meinem Kopf, um ehrlich zu sein, rührte mich das, was meine Mama mir verriet beinahe zu Tränen. „Während deiner Geburt ging es mir nicht gut, die Nachgeburt hatte sich vor dich geschoben. Damit dir und mir nichts geschieht, bekam ich einen Kaiserschnitt mit Vollnarkose. Natürlich bin ich überrascht gewesen, dass ich statt einer Tochter einen Sohn bekommen habe. Aber dein Geschlecht war mir egal. Im Gegensatz zu deinem Vater, er wünschte sich unbedingt einen Sohn. Er glaubt, ein Mädchen taugt nur zum Kochen und Kinder kriegen. Obwohl ich weiß, dass sein Denken veraltet ist. War ich froh, dass meine Ärztin sich geirrt hat.“ Das Klingeln unserer Haustür zerstörte die Unterhaltung zwischen uns, weshalb Mama nach sah, wer uns besuchen kam.

© Sabine Knauf 2025-01-28

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