A Day in the Life

Gregor Demblin

von Gregor Demblin

Story

Das Dachfoyer in der Wiener Innenstadt ist knallvoll. 200 geladene GĂ€ste aus Wirtschaft und Politik sind gekommen, um die Verleihung der wichtigsten Auszeichnung fĂŒr Social Entrepreneurs zu feiern.

Hinter mir liegen zwölf Monate Auswahlprozess. Zahlreiche Interviews in Wien. Analyse des unternehmerischen Denkens. Des Konzepts. Der BusinessplĂ€ne. Die GesprĂ€chspartner sind Vollprofis. Sie sagen, dass auf eine Million Menschen ein Ashoka Fellow kommt. Es folgt die zweite Auswahlrunde in London. Dann, endlich: Das Board im Ashoka-Headquarter in Washington ernennt mich tatsĂ€chlich zum Ashoka Fellow. Und heute ist mein großer Tag, die offizielle Feier.

Ab hier geht es bergauf.

FĂŒnf Jahre spĂ€ter, ich komme gehetzt ins BĂŒro, gerade noch pĂŒnktlich fĂŒr unser Teammeeting. Ich spĂŒre jeden Muskel nach meinem morgendlichen Workout mit der Physiotherapeutin. Aus dem Serverraum klingt das vertraute Tackern des Braille-Druckers. Ich eile zum Besprechungsraum und beende mein Telefonat.

Wir sind wieder gewachsen, sind mittlerweile 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Etwa die HĂ€lfte hat selbst eine Behinderung. Der Screen ist auf grĂ¶ĂŸtmöglichen Kontrast eingestellt. Die GebĂ€rdensprachdolmetscher dolmetschen. Jeder, der redet, nimmt ein kleines Mikrofon in die Hand, fĂŒr die HörgerĂ€te. Das alles ist so normal, dass es keinem von uns auffĂ€llt.

GĂ€ste, die in unser BĂŒro kommen, können es oft gar nicht glauben. „Bei euch schaut doch alles ganz normal aus“, hören wir oft. Ja klar! Was erwartet ihr euch? Wir haben ein perfekt barrierefreies BĂŒro, und das bedeutet, dass bei uns niemand behindert wird. Alle können ihr volles Potenzial entfalten. Behinderung spielt keine Rolle.

Nach dem Meeting kurze Abstimmung mit dem Management Board, dann muss ich weiter. Ich soll beim ORF ein Radiointerview geben und bin danach zum Lunch verabredet. Es wird wieder einmal knapp.

Meine Assistenten begleiten mich durch den Tag. Jeder Handgriff sitzt. Wenn ich unnötig Zeit verlieren wĂŒrde, fĂ€llt mein Terminplan wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Ich bin so dankbar, dass ich sie habe! Ohne sie hĂ€tte ich nie ein Unternehmen aufbauen können.

ZurĂŒck im BĂŒro. Ich trinke meinen vierten Kaffee und lasse mich kurz von den Kolleginnen briefen. Wir haben inhouse eine ProjektprĂ€sentation fĂŒr einen Kunden. Ich soll durch die PrĂ€sentation fĂŒhren, dabei kennen sich die Kolleginnen viel besser aus. Sie versprechen mir, notfalls einzuspringen.

Ich muss das Meeting frĂŒher verlassen, habe im Konferenzraum eine Telefonkonferenz. Danach eilen wir zum Auto. Mein Assistent fĂ€hrt, wĂ€hrenddessen erledige ich Telefonate und schreibe Mails. Auf mich wartet noch mein Training im Fitnessstudio. Der Abend ist zum GlĂŒck frei von Terminen.

Ashoka hat das Potenzial vorausgesehen. Es war ein steiniger Weg, unzĂ€hlige RĂŒckschlĂ€ge. Aber heute weiß ich: All der Aufwand hat sich gelohnt. Je grĂ¶ĂŸer das Ziel, desto grĂ¶ĂŸer die MĂŒhe. Aber desto schöner auch der Erfolg.

© Gregor Demblin 2020-09-05