von Herbert Schieber
Unser Schwiegersohn bucht eine Woche Familienurlaub in einem Holiday-Resort an der kroatischen Küste. Kaum gebucht, liegt mir auch schon meine Frau in den Ohren: „Alle Großeltern machen mit ihren Kindern gemeinsam Urlaub!“ Um dem Wunsch-Befehl Folge zu leisten, buche auch ich. Zur selben Zeit, am selben Ort.
Es ist so weit. Mit vollgepacktem Auto treten Tochter, Schwiegersohn und die beiden noch schlafenden Enkerl schon in der Nacht die Fahrt zum Urlaubsort an. Wir folgen gemächlich erst nach dem Frühstück und erreichen nachmittags das Urlaubsziel, ein riesiges Resort mit unzähligen Attraktionen. Wir beziehen ein Apartment-Haus mit Terrassenblick zum Meer. Es ist Nachsaison. Blauer Himmel. Alles toll!
Unsere Jungen treffen wir im Kinderbereich der Pool-Erlebniswelt. Gefühlt tausende stimmgewaltige Kinder schreien, weinen oder tollen ungebremst umher. Teilweise überforderte Eltern schauen lethargisch zu oder verkriechen sich entnervt in einer Ecke. Nicht so meine Frau, die Omi. Sie mutiert plötzlich zu einer Sechsjährigen. Sie läuft durch Wasserfälle, rutscht auf Kinderrutschen und tollt mit ihren beiden Enkerln ausgelassen umher. Schwiegersohn, Tochter und ich versuchen auch unser Bestes zur Kinderbespaßung beizutragen. Jeden Tag, die ganze Woche.
Statt einem Bungeesprung von der Royal Gorge Bridge oder Bullenhaitauchen in Neuseeland, empfehle ich Singles auf Selbstfindungstrip eine Woche in diesem Poolbereich zu verbringen! Echt der Wahnsinn!
Damit man aber im Kreis solcher Selbstfindungs-Fanatiker wirklich prahlen kann, bucht man wie wir die Xtrem-Version. „Eine Woche Holiday-Resort mit Halbpension!“ Das heißt, morgens und abends ist man bei der Buffetschlacht für etwa eine Stunde das wehrlose Opfer eines gefühlt tausendköpfigen Kinder-Neoeltern-Kampfgeschwaders!
Bitte vorher eine Zeichensprache erlernen, denn eine sprachliche Verständigung ist schon durch den Kinderlärm-Pegel gar unmöglich. Metallica schrumpft hier auf das Lautstärkeniveau eines Klavierkonzertes von Mozart.
Die Kinder wären sicher braver, wären da nicht die extrem-toleranten Eltern, die die Gangblockaden oder sonstigen Nerv reizenden Aktivitäten ihrer Bälge einfach ignorieren. Hier ohnmächtig zusehen zu müssen, verursacht Brechreizgefühle, die wesentlich intensiver und anhaltender sind als jeder freier Fall aus der Stratosphäre.
Also, kinderlose und adventure-geile Singles! Bucht noch heute!
Unsere Familie bildet natürlich eine rühmliche Ausnahme… hüstel… hüstel… . Weil unsere beiden Enkerl so brav sind, dürfen sie auch eine Nacht in unserem Apartment schlafen. Und dann, wenn sie kurz vor dem Einschlafen mir noch „ich liebe dich Opi“ ins Ohr flüstern, danach an mich gekuschelt einschlafen und ich den Duft ihrer Kinderhaare rieche, wird mir unbeschreiblich warm ums Herz.
Ein Gefühl, das kinderlose Singles nie erfahren werden… ich habe mich selbst gefunden… ich bin Opi!
© Herbert Schieber 2019-09-24