Am Ende ist kein Licht 2

21.05.2022

Lieber C. Verzeih mir den Brief von gestern, er ist erbärmlich, genau wie ich. Wenn du mich sehen könntest, wie ich hier sitze in deinen Klamotten, ich höre dich fast laut lachen. Aber immerhin ernähre ich mich nicht mehr so schlecht oder selten, wie auch immer. Ich esse fast regelmäßig, wollte ich damit sagen. Manchmal vergesse ich dein Lachen und dann bekomme ich Angst, so verdammt große Angst, dass ich dich gleich noch einmal verlieren könnte. Als würde das irgendeinen Sinn ergeben, du bist TOT. Verstorben, im Himmel, Wurmfutter … Ist deine Seele hier bei mir? Das wünsche ich mir immer noch, entschuldige. Ich habe versprochen, dir solche Briefe nicht mehr zu schreiben. Nicht als würdest du das hier lesen oder jemals auch nur ein Wort zurückschreiben – erbärmlich, sagte ich dir doch. Gut, dann mache ich jetzt, was ich eigentlich tun soll, nämlich meinen Tag aufschreiben. „Das ist gesund“, sagte deine Mutter. So kannst du ihn an deinem Leben teilhaben lassen. Quatsch, wie ich finde, aber ich habe mich so daran gewöhnt und wenn ich schreibe, lassen mich die anderen in Ruhe. Du weißt schon, Nadine und Kristina, aber auch Dustin nervt dann weniger. Meine zwei sind nach wie vor fast jeden Tag bei mir und „bespaßen“ mich. Obwohl ich es ehrlicherweise echt hasse. Manchmal frage ich mich, ob ich nicht auch einfach sterben soll. Aber dann sehe ich wieder irgendeine Sache oder höre ein Lied, das mich an dich erinnert, und dann kann ich es nicht tun. Dustin drängt mich mindestens einmal in der Woche doch rauszugehen. Oder mit ans Meer zu kommen. Weil es ja „wichtig“ ist. Jap! Du weißt, was er meint. Die Sonne! Er sagt, ich sehe aus wie eine lebendige Leiche. Gut so! Aber warum fühle ich mich dir dann nicht näher? Zum Frühstück hatte ich die Pancakes der Haushälterin, die dein Vater immer noch zahlt. Er selbst war nur einmal hier, aber gut. Mir soll es recht sein. Sein Geheule ging mir schon in den ersten Minuten auf die Nerven. Sie heißt Marta oder Maria? Es ist mir egal, ehrlich. Aber sie kocht zumindest gut und sie putzt wie der Teufel. Das hat mich am Anfang genervt, weil ich dachte, sie putzt deine Aura aus dem Haus. Aber nein, auch sauber fühle ich dich immer noch in jeder … Aber ich schweife schon wieder ab. Heute ist kein guter Tag, um zu schreiben, aber das ist es eigentlich nie. Ich vermisse dich so sehr. Bitte schick mir irgendwas, dass ich weiß, dass es dich noch gibt. Ein kleines? Bitte! Nach dem Essen bin ich dann unter die Dusche, ein mir selbst auferlegtes Ritual, das ich zu lange schleifen habe lassen. Ich will ja nicht alleine sein und dabei auch noch stinken, wobei stinkt man, wenn es keiner riecht? Hier lacht niemand über meine Witze, nur du hast sie witzig gefunden. Ich weiß, die Menschen um mich herum fragen sich, warum es dich und nicht mich erwischt hat. Du warst der gesellige von uns beiden. Der allen ein gutes Gefühl gab, du hast es nicht nur bei mir geschafft. Wusstest du, dass seit du nicht mehr bei mir bist, die verdammte Sonne jeden Tag scheint!! Wie geht das bitte? Zumindest am Morgen jedes Mal diese Sonnenstrahlen in meinem Gesicht. Manchmal glaube ich, da erlaubt sich jemand einen schlechten Scherz! Wie kann sich die verdammte Erde überhaupt noch drehen? Ohne dich?

In Liebe, deine S.