von Eva Filice
Die albanischen Gebiete auf der Balkanhalbinsel standen wiederholt unter dem Einfluss fremder Herrschaft. Erst seit 1912 besteht Albanien mit dem territorialen AusmaĂ, so wie wir es kennen. Wiederholt kĂ€mpften in der Vergangenheit die albanischen StĂ€mme fĂŒr UnabhĂ€ngigkeit, dieses Bestreben war besonders stark wĂ€hrend der Unterjochung des Osmanischen Reichs. Nach dessen Beendigung Anfang des 20. Jh. entschieden die GroĂmĂ€chte, vor allem GroĂbritannien, ĂŒber die Aufteilung der Nationalstaaten auf dem Balkan. Das albanische Siedlungsgebiet verringerte sich um die HĂ€lfte. Bis in die Gegenwart dauern die Konflikte an, denn die albanischen Ethnien auĂerhalb des Landes (âArbĂ«reshâ) werden im Kosovo und in Serbien immer wieder UnterdrĂŒckungen und Benachteiligungen ausgesetzt. Die territorialen Forderungen Griechenlands bringen wiederholt Unsicherheit.
Albanien zu einem demokratischen Land aufzubauen, war ein schwieriges Unterfangen. Ich erinnere mich an die Bilder im Fernsehen, die 1990 die Massenflucht der Albaner auf ĂŒberfĂŒllten Schiffen von der Hafenstadt DurrĂ«s nach Italien zeigten. Der Zusammenbruch des kommunistischen Systems lieĂ Armut befĂŒrchten und groĂe Unsicherheit aufkommen.  Viele albanische Studenten engagierten sich fĂŒr ein demokratisches Albanien. Der Student Azem Hajdari fĂŒhrte die albanische Studentenbewegung an, die zum Sturz des kommunistischen Regimes fĂŒhrte. Er wurde 1990 zum Vorsitzenden der Kommission der demokratischen Partei DP und im Jahr danach Mitglied des albanischen Parlaments. Als engagierter Demokrat hatte er wichtige Positionen inne. Das gefiel anderen Politikern nicht. Bereits 1991 erhielt er Morddrohungen. Azem Hajdari schloss in Tirana das Studium der Rechtswissenschaften ab, in den USA studierte er Philosophie und Englisch und in Deutschland Verteidigungs- und Sicherheitspolitik. Als Mitarbeiter des damaligen Premierministers Sali Berisha gelang ihm ein bedeutender Aufstieg.
Im September 1997 kam es im Parlament zu einer heftigen Auseinandersetzung von Azem Hajdari mit dem Abgeordneten Gafur Mazreku, der der regierenden sozialistischen Partei angehörte. WĂ€hrend des heftigen StreitgesprĂ€chs ĂŒber die Erhöhung der Mehrwertsteuer zog der Abgeordnete eine Pistole und verletzte Hajdari mit fĂŒnf SchĂŒssen schwer. Ein weiterer Vorfall ereignete sich am spĂ€ten Abend des 4. Juni 1998, als Azem Hajdari und mehrere Mitglieder seiner Partei ĂŒberfallen wurden und er mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus gebracht wurde. Kaum drei Monate spĂ€ter, als Azem Hajdari mit seinen LeibwĂ€chtern das ParteibĂŒro verlieĂ, tötete ein AttentĂ€ter den 35-jĂ€hrigen Politiker. Auch sein LeibwĂ€chter Besim Cera erlag den tödlichen Verletzungen, ein zweiter LeibwĂ€chter ĂŒberlebte das Attentat.
Das Denkmal am Tatort erinnert an die beiden Mordopfer. Azem Hajdari wurde 1998 posthum zum EhrenbĂŒrger von Tirana ernannt und 2007 mit dem Skanderbeg Orden ausgezeichnet. Schwere Unruhen mit Toten und Verletzten folgten dem Attentat drei Tage lang und setzten das Land einer Belastungsprobe aus. Azem Hadjaris Frau gebar vier Monate nach seinem Tod das dritte Kind.
© Eva Filice 2024-05-02