Alles begann damit, dass wir backen wollten. Aber wir konnten uns einfach nicht einigen. „Zimtsterne ist ein Muss in der Weihnachtszeit“, sagte Mama. Aber ich wollte Vanillekipferl. Und Marie wollte Ausstechplätzchen. Aber Zeit um alle drei Vorschläge zu backen, hatten wir nicht. Papa hörte, wie wir stritten und kam in die Küche. „Was haltet ihr denn von Lebkuchen? Das habt ihr noch nie gemacht, obwohl es meine Leibspeise ist.“ Dabei zwinkerte er mit den Augen. Aber er hatte recht: Es verging kein Weihnachten, an welchem wir nicht mindestens drei Lebkuchenpackungen zu Hause hatten. Und ich musste zugeben, auch ich aß Lebkuchen wirklich sehr gerne. Marie begann zu strahlen: „Lebkuchen! Dass wir da nicht schon vorher drauf gekommen sind!“ Mama sah mich an, sah, dass ich ebenfalls strahlte und sagte schließlich: „Ich denke, damit ist es beschlossen: Wir backen Lebkuchen!“ Leichter gesagt als getan, denn wir mussten erst mal einkaufen, weil wir weder Lebkuchengewürz noch Nelkenpulver zu Hause hatten. Als wir dann endlich alles hatten, ging es ans Backen. Dabei bestand Marie darauf, dass wir ‚In der Weihnachtsbäckerei‘ hörten und sie sang lauthals dabei mit. So süß sang sie: „Und dann kommt das Ei … vorbei!“ und haute das Ei wirklich komplett daneben. Selbst Mama konnte ihr nicht böse sein, als sie dann ganz schuldbewusst sagte: „O nein. Entschuldigung Mama. Jetzt hat das Huhn das Ei umsonst gelegt. Das arme Huhn.“ und dann fing sie an, zu weinen. Schnell nahm ich sie auf den Arm und erklärte ihr, dass man das mit den Eiern in die Schüssel schlagen ja erst lernen müsse und dass es gut sei, dass sie es jetzt schon gelernt hatte, weil sie dann auf ihr Leben gerechnet weniger Eier verschwenden würde, als manch anderer. Naja, nach diesem Zwischenfall konnten wir dann weiter backen und dann war der Teig auch schon fertig und wir konnten ihn formen. „Mama, Marie, können wir bitte bitte ein klassisches Lebkuchenmännchen formen? Einen großen, von dem wir dann kleinere Stücke abschneiden können?“, bat ich. „Das wäre dann richtig so, wie in einem Bilderbuch. Bitteeee?“ Aber ich musste gar nicht weiter betteln, beide stimmten sofort zu. So schoben wir letzten Endes ein Blech, mit einem blechgroßen Lebkuchenmann darauf, in den Ofen. „Wie sollen wir ihn nennen?“, fragte ich. Es war bei uns sozusagen schon Tradition unseren Gebäcken Namen zu geben. Also natürlich nicht jedem einzelnen Keks, aber die Weckmänner haben wir auch immer benannt. Es hatte schon den Ulf, die Brigitte und den Ernst (er hieß so, weil er leider ein bisschen verbrannt aus dem Ofen kam) und Larissa-Carlotta gegeben. „Benjamin soll er heißen!“, rief Maria. Wahrscheinlich, weil ihr bester Freund auch Benjamin hieß. Was soll’s, ich fand den Namen gut. „Perfekt, dann taufen wir ihn gleich, wenn er fertig ist auf den Namen Benjamin.“ Und schneller als gedacht piepste der Ofen und wir holten den Benjamin heraus. Er war einfach Perfekt, der Kopf war nicht zu klein und nicht zu groß und auch die Arme und Beine hatten eine ausgezeichnete Größe. Benjamin sah wirklich aus, wie im Bilderbuch. Schnell malten wir ihm ein Gesicht und Anziehsachen und wenn ef vorher schon perfekt aussah, dann sah er jetzt unverbesserlich aus. „Der ist aber schön geworden“, sagte Maria, doch dann stutze sie plötzlich. „Hat der gerade geblinzelt?“ Ich besah ihn mir ganz genau. „Du hast recht, er blinzelt!“
© Charlotte Schmidt 2023-11-24