Brimor Schattenfels und das Meisterwerk #1

»Brimor, hör endlich auf zu brummen wie ein alter Blasebalg!« Der tiefe Bass seines Vaters hallte durch die Halle, während er einen kleinen Lederbeutel in die Hand seines Sohnes drückte. Das leise Klimpern darin klang für Brimor wie das Scheppern seiner eigenen Ketten. »Das Bündel geht direkt an die Händlergilde in der Stadt. Sie erwarten dich am späten Nachmittag.«

»Die Stadt«, wiederholte Brimor, als hätte das Wort einen bitteren Geschmack. »Warum ich? Es gibt doch Kuriere. Junge, flinke, die nicht gleich die Orientierung verlieren, wenn der Weg einen Knick macht.«

Sein Vater stemmte die Hände in die Hüften. »Die Kuriere kennen unsere Ware nicht. Sie wissen nicht, wie man einen Händler ansieht und erkennt, ob er lügt. Du weißt das.«

»Weiß ich?« Brimor kratzte sich am Bart. »Ich weiß nur, dass die Stadt stinkt, dass die Menschen zu viel reden, und dass die Preise doppelt so hoch sind, wenn ein Zwerg den Markt betritt.«

»Genau deswegen gehst du. Wenn du dich immer in den Höhlen verkriechst, wird nie jemand Respekt für dich haben.« Die Stimme seines Vaters wurde sanfter. »Und irgendwann wirst du mehr als nur Steine schleifen müssen, Brimor.«

Brimor knurrte leise, doch er wusste, der Alte hatte entschieden. Widerworte hätten nur dazu geführt, dass ihm noch ein zweiter Beutel in die Hand gedrückt worden wäre. Also schulterte er widerwillig das kleine Bündel mit den wertvollen Edelsteinen, warf sich den grauen Umhang über und trat hinaus in den Tunnel, der zur Oberfläche führte.

Schon nach wenigen Schritten verfluchte er sein Schicksal.

Die vertraute Felswölbung wich dem grellen Tageslicht. Brimor blinzelte und schnaufte, als hätte ihn jemand in den Bauch geboxt. Himmel – blauer, grenzenloser Himmel – spannte sich über ihm. Viel zu weit, viel zu leer. Kein Dach, kein schützender Stein über seinem Kopf. Er zog den Umhang enger um die Schultern, als könne er sich so gegen die Fremde wappnen.

Der Weg zur Stadt war nicht weit, aber für Brimor fühlte er sich an wie eine Reise ins Ungewisse. Jeder Schritt brachte ihn weiter weg von den sicheren Hallen, in denen man ihn kannte – und näher an Menschen, die ihn anstarren würden wie ein neugieriges Kind ein seltsames Tier.

»Nur hin, abgeben, zurück«, murmelte er, während er über den staubigen Pfad stapfte. »Kein Grund, länger zu bleiben. Kein Grund, sich in irgendetwas verwickeln zu lassen.«

Doch tief in seinem Bauch, zwischen Magen und Bartansatz, rumorte es wie ein unzufriedener Troll.