Du siehst nur das Lächeln auf meinen Lippen. Das Lächeln, das immer dann auf meinen Lippen liegt, wenn andere Menschen um mich herum sind.
„Sie hat es so gut im Leben.“ Und „Für sie ist sicher alles super einfach.“, höre ich immer wieder, leise gemurmelt, hinter meinem Rücken. Wie sollte ich auch unglücklich sein? Ich habe eine Wohnung, habe einen Job, meine Kollegen schätzen mich und meine Meinung, ich habe eine Familie, die mich liebt und die ich liebe.
Doch kaum jemand macht sich die Mühe, hinter das Lächeln zu sehen.
Hinter dem Lächeln verbergen sich Tränen.
So unendlich viele ungeweinte Tränen.
Sorgen, Ängste, kleine Unzulänglichkeiten, die dafür sorgen, dass das Lächeln auf meinen Lippen meine Augen nicht erreichen kann. Es hält mich klein, lässt keinen Raum zum Wachsen.
Warum sollte ich wachsen? Ich bin ja „perfekt“, lächele stets, bin freundlich, immer für alle da. Ich höre jedem zu und erteile Ratschläge, wenn sie gebraucht werden oder unterstütze sie.
Jedoch fragt kaum jemand danach, wie es mir geht, was mich bedrückt? Es wird nicht gesehen, dass mein Lächeln nicht echt ist, dass ich nur jemanden darstelle, aber nicht bin. Wie ein Schauspieler.
Wenn doch jemand fragt, begnügen sich alle mit einem: „Mir geht es gut. Es ist nichts los. Nur viel Stress gerade.“
Ich tue es von mir ab, sehe nicht, dass jemand ehrlich daran interessiert sein könnte, wie es mir geht. Ich sage es, um zu erfahren, ob sich jemand die Mühe macht, mich als jemand wertvolles zu sehen.
Habe ich eine so hohe Mauer um mich errichtet, die kaum jemand erklimmen kann, um hinter die Fassade zu schauen?
Ich sollte nicht darauf achten, dass jemand anderes als ich mich selbst als wertvoll, liebenswert und wundervoll sieht. Und doch passiert das immer wieder, dass ich diese Bestätigung von außen suche. Aber nicht finde.
Ich fühle mich leer und ausgelaugt. Leise läuft mir eine Träne die Wange hinunter…löst eine Lawine an Tränen aus.
Meine Schultern fühlen sich mit jeder Träne leichter an, meine Seele leert sich. Bereit für das nächste falsche Lächeln und offen für die Sorgen anderer.
Arme umgreifen mich.
Drücken mich.
Zeigen, dass jemand mich sieht, mich und mein falsches Lächeln.
Sie sagen: „Ich bin hier. Ich sehe deine Sorgen, lasse alles raus, ich halte dich. Ich bin deine Schulter.“
Die Tränen versiegen.
Das erste Mal seit langem erreicht mein Lächeln meine Augen.
Ich bin nicht allein.
Niemals.
© Michelle Weber-Risse 2024-04-11