Ich hatte eine Halb-Großtante. In „Großfürstin Olga“ hab ich sie ein bisschen beschrieben. Und ein weiteres Mal in „Kleopatra im Irakkrieg“. Hier der 3. Teil des Tryptichons.
Tante Eva hatte einen Hang zum Höheren. Sozial. Der Aufstieg gelang, da war sie Mitte Dreißig und hatte 2 Hunderl, die Terrier Sissi und Tessi. Cognacfarben. Es gelang in Form von Onkel Karl. Der hatte in Hannover eine Straßenbaufirma, mit der er nach dem Krieg alle Straßen pflastern ließ. Von 200 spanischen Gastarbeitern. Onkel war älteren Datums, dick, kurzatmig, aber das tat seiner Attraktivität keinen Abbruch.
Es war 1954, und ich kurz vor vier, als meine Omi, ihre Halbschwester, starb. Mitten im schönsten Fremdenverkehrs-August. Tante muss, ich kann leider niemanden mehr fragen, im Juli geheiratet haben. Es gibt ein SW-Foto von mir und meinem 15 Monate alten Brüderchen in dicken Windeln. Auf dem winzigen Foto, das Halbgroßonkel Karl gemacht haben dürfte, schaut Herwig aus wie mein „älterer“ Bruder. Fällt mir nur so ein.
Also offenbar Flitterwochen in Döbriach, und kurz nach der Abreise ist Omi gestorben. Papa, wie sie ihn nannte, der Wirtschaftswundermann, verwehrte die nochmalige Fahrt nach Kärnten, zum Begräbnis ihrer lange kranken, mit 49 verstorbenen Halbschwester. Er fand das unnötig. Oder vielleicht mochte auch sie die lange Reise im Zug nicht antreten. Lässt sich nicht mehr eruieren. Ich spekuliere nur.
Als ich 17 war, hübsch anzusehen und in der Lage, die Zugreise nach Hannover alleine anzutreten, luden sie mich ein. Im Laufe des Aufenthaltes in bester Wohnlage neben den Herrenhäusergärten wurde mir klar, dass Tantchen mich verkuppeln wollte. Eine Verwandte aus Kärnten zur Verstärkung in Hannover. Mutti war mit von der Verschwörer-Partie. Das wurde mir klar, als wir eines Sonntags zum „5 Uhr-Tanz-Tee“ am Maschsee fuhren. Höchst „inne“ Location!
Dort saßen wir mit je einem Kännchen Káffee. Tante Eva ( früher Sophie, von den Verwandten uncharmant Sófe, genannt und bei der Heirat vom Onkel auf den zweiten Vornamen umgearbeitet) hatte ihr Nerzjäckchen an der Garderobe – ohne Haftung – abgegeben. Ich erinnere mich heute, fast 53 Jahre danach, dass sie nur auf die Garderobe starrte und nicht zum Tanzen ging. Ich schon. Es näherte sich unserem Tisch nämlich alsbald ein älteres Ehepaar mit heiratsfähigem Sohn. Ich erkannte in ihnen die Familie aus Hildesheim, die im Jahr davor bei uns fremdenverkehrt hatte. Ich tanzte einige Pflichttänze, aber er war für alle deutlich zu sehen, der Funke, der nicht übersprang.
Schließlich fuhren wir nach Hause. Ich froh, dass ich nicht verlobt wurde, Tante Eva glücklich, dass ihr Jäckchen diesen Ausflug auch gut überstanden hatte. Es ist am Foto zu sehen und ich war mit ihm kürzlich in der Mailänder Scala. Aus Nostalgie.
Fast noch lieber aber hatte Tante Cognjäckchen. Oft sagte sie: Das wärmste Jäckchen ist ein Cognjäckchen. Die paßten überall dazu, man konnte sie auch an kühlen Sommerabenden gut tragen.
© 2020-03-29