In Deutschland, wie konnte es anders sein, war Sport nicht Selbstzweck. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein war in Schule und MilitĂ€r Leibeserziehung und körperliche ErtĂŒchtigung gleichbedeutend mit Turnen. Diese grandiose Idee des Vaters der deutschen Turnbewegung, Friedrich Ludwig Jahn, entstand aber einzig aus dem Gedanken Turnen als WehrertĂŒchtigung, Turnen als Reaktion auf die französische Fremdherrschaft einzurichten, um die deutsche Jugend körperlich auf einen angestrebten Befreiungskrieg vorzubereiten.
âSport ist Mordâ, sagte spĂ€ter Churchill und lag damit irgendwie richtig.
Ob bereits in den 1850er Jahren in Dissen am Teutoburger Wald und in Heidelberg wiedermal wenig lernbegeisterte englische InternatsschĂŒler mit Einheimischen nach den Regeln der Rugby School FuĂball spielten, ist nicht belegt.
Belegt sind dagegen erste Spiele nach den Regeln der Football Association (FA) aus dem Jahre 1875 in LĂŒneburg, wo der Lehrer Wilhelm Görges und der junge EnglĂ€nder Richard E. N. Twopeny vom Marlborough College das FuĂballspiel am dortigen Johanneum einfĂŒhrten.
Dieses VergnĂŒgen hieĂ damals dann âenglischer Sportâ oder auch die âenglische Krankheitâ und wurde spĂ€ter verĂ€chtlich als âFuĂlĂŒmmeleiâ bezeichnet.
In den ersten Jahren wurde FuĂball von britischen Unternehmern, Studenten, Technikern, GeschĂ€ftsleuten und Botschaftsangehörigen gespielt. In Darmstadt spielten deutsche Gymnasiasten inoffiziell in einem englischen FuĂballclub. Als sie jedoch dem Verein beitreten wollten, wurde ihnen dies vom Rektor des Gymnasiums strikt untersagt, weil âes ein blutiges Spiel wĂ€reâ.
FuĂball wurde also vor allem von den Besserverdienenden gespielt, was sich ja bis heute in einer besonderen, nun allerdings umgekehrten Weise, immer noch darstellt, wenn 22 MillionĂ€re untereinander kicken.
Arbeiter hatten kaum die finanziellen Mittel, um die hohen Anschaffungskosten fĂŒr die AusrĂŒstung aufzubringen; sie organisierten sich weiterhin in Turnvereinen. Angestellte waren dagegen aufgeschlossener und bereit, einen groĂen Teil ihres Einkommens fĂŒr FreizeitaktivitĂ€ten, auch solche zweifelhafter Art, auszugeben.
Die Nachahmung studentischer Vereinskulturen, wie die latinisierten Vereinsnamen âBorussiaâ, âAlemanniaâ, die Ăbernahme von FarbbrĂ€uchen, die Umdichtung von Liedgut und die Verwendung von Attributen bĂŒrgerlichen Ansehens, wie Orden, Medaillen und Titel wie âMeisterâ, die es im Berufsleben der Angestellten nicht gab, prĂ€gten den frĂŒhen FuĂball in Deutschland.
Sportler und SportfunktionĂ€re verfolgten mit der AusĂŒbung ihrer Sportarten jedoch weniger ĂŒbergeordnete politische Ziele als vielmehr eine FreizeitbeschĂ€ftigung im bĂŒrgerlichen Milieu.
© Heinz-Dieter Brandt 2024-07-19