von Ulrima
Entspannt sitze ich am Spielplatz und beobachte meine Kinder beim ausgelassenen Spielen. Mal ist es ruhig, mal lachen sie, hin und wieder rufen sie mich zu sich, weil sie meine Hilfe benötigen oder einfach gezielt meine Aufmerksamkeit wünschen. Wunderschön, einfach hier zu mit ihnen zu “sein”.
Doch etwas trübt die friedliche Stimmung, die liebevolle Schwingung. Es ist das Weinen der Kinder im Hintergrund, welches man heute schon den ganzen Tag hört. Immerfort hört man ihr Wimmern und Rufen, gleichbleibend monoton und doch so eindringlich. Es sind Laute des Vermissens, der Angst, des Verzweifelns, Rufe aus dem Inneren der kleinen Seelen. Stimmen der Sehnsucht nach etwas absolut Natürlichem, instinktiv von Kindern, die nach ihrer Mama rufen.
Schon beim heutigen Vormittagsspaziergang durch das Dorf erreichte mich ihr Weinen immer wieder. War es also wieder einmal so weit, der Transporter muss hier gewesen um eine neue “Ladung” zu bringen. Eine neue Ladung kleiner Kälber, erst wenige Wochen alt um sie hier im Stall zu sogenannten “Fressern” anzufüttern. Es sind noch Babys, die ersten Tage leiden sie besonders schlimm. Während sie im Transporter auf das Ausladen warten, bebt und wackelt oft das ganze Fahrzeug, da sie von innen immer wieder dagegen stoßen. Beim Ausladen sind sie gleichermaßen so voller Angst und Hoffnung und versuchen mit aufgerissenen Augen verzweifelt Kontakt mit den Menschen rund, um sie aufzunehmen. Ihre Mütter haben sie nie kennengelernt, durften nie die von ihnen ausgehende Fürsorge, Sicherheit und Liebe spüren.
Als Bullenkälber sind sie mehr oder minder ein Abfallprodukt der Milchindustrie, geboren um die Milchleistung ihrer Mutter in Gang zu halten, geboren um die für sie bestimmte Milch dem Menschen zu überlassen, geboren um zu sterben.
Beim Vorbeispazieren an den Ställen ergreift mich jedes Mal eine unglaubliche Schwere. Ich spüre ihre Angst, ihre Einsamkeit, ihr natürliches Bedürfnis nach Liebe und Fürsorge. Ich spüre, dass irgendwo da draußen eine Mutter ist, die genauso nach ihrem Kind weint. Es versorgen, ernähren und lieben möchte. Wusstet ihr, dass Kühe höchst soziale Wesen sind? Sie sind Herdentiere, schließen Freundschaften, weinen um verstorbene Angehörige und vor allem: Sie wollen sich um ihre Kinder kümmern.
Ich frage mich, warum es dieser Mutter nicht gestattet ist, ihr Kind zu versorgen und zu lieben? So wie es die Natur vorgesehen hat. Warum entschied der Mensch, dass diese Spezies minder ihrer eigenen ist und erkannte ihnen diese Grundrechte und Grundinstinkte ab?
Wieso verhält sich der Mensch so wider der Natur und agiert absolut gegen sie? Ist es nicht offensichtlich und klar? Ist dieses Weinen der Kinder nicht deutlich genug? Nun, für mich schon und doch macht es folgendes Zitat von A.D.Williams noch klarer, zum Abschluss dieser Story.
“Wenn sie atmen, LEBEN sie. Wenn sie leben, FÜHLEN sie. Wenn sie fühlen, LIEBEN sie. Wenn sie lieben, haben sie eine SEELE.“
© Ulrima 2021-03-11