von Jürgen Heimlich
1971 bin ich von einem Trinitarier in der Franz-von-Assisi-Kirche im 2. Bezirk getauft worden. Viele Jahre später, es muss 2009 gewesen sein, habe ich Pater Clemens kennengelernt, der in Maria Grün als Seelsorger tätig ist, und auch dem Orden der Trinitarier angehört. Und er ist Seelsorger im Sinne des Wortes. Er ist bodenständig, weiß um die Sorgen seiner Mitmenschen, seine Predigten sind meist großartig und orientieren sich an der Gegenwart. Und Pater Clemens ist AIDS-Seelsorger von Wien. Er übt dieses Amt schon seit vielen Jahren aus. Bis vor wenigen Jahren hat er am Welt-AIDS-Tag Gedenkgottesdienste gehalten. Angesichts dessen ist es mir ein Anliegen, am heutigen Welt-AIDS-Tag diesen besonderen Menschen in den Fokus zu stellen.
Manchmal wird Pater Clemens von anderen Geistlichen bei der Sonntagsmesse vertreten. Er sagt dann immer vorab, dass wir, also die Gemeinde, die in Maria Grün die Messe mitfeiern, trotzdem kommen sollen. Er weiß wohl um seine Wirkung, und dass es Menschen gibt, die seinetwegen nach Maria Grün kommen. Ja, ich gebe es zu: Ohne Pater Clemens kann ich mir die Messe in Maria Grün nicht vorstellen. Einmal gab es nach einer Messe eine Diskussion. Und er sagte im Zuge dessen, dass er nichts von „Personenkult“ halte. Niemand solle nur seinetwegen zur Messe kommen. Nun, ich denke, dass nicht nur ich anderer Meinung bin. Wovon eine Messe lebt ist die Persönlichkeit des Menschen, der diese verantwortet. Eine schlechte Predigt kann eine Messe ruinieren. In den Wolken zu schweben ist die Sache von Pater Clemens nicht. Er ist authentisch und hält auch nicht hinter den Berg, wenn ihm etwas gegen den Strich geht. Sein Engagement für die AIDS-Kranken war insbesondere in den ersten Jahren eine große Herausforderung. Er wurde sozusagen ins kalte Wasser gestoßen. Doch kaum hatte er diese Aufgabe übernommen, war er bemüht, diese so gut es geht zu erfüllen. So geht das AIDS-Memorial in Maria Grün auf seine Initiative zurück. Es handelt sich um einen Gedenkort für die Menschen, die an AIDS gestorben sind, der sich in unmittelbarer Nähe der Kirche befindet. Von Zeit zu Zeit erzählt Pater Clemens von seinen Erfahrungen in diesem Kontext. Er hat viele Menschen bis zu deren Tod begleitet. Er war für sie da, wann immer sie ihn gerufen haben. Menschen beizustehen, die sich in einer großen seelischen Not befinden, ist wahre Seelsorge. Als AIDS-Seelsorger kann ich mir keinen besseren als Pater Clemens vorstellen.
Pater Clemens ist konservativ und rebellisch gleichermaßen. Er fände es in Ordnung, wenn der Zölibat abgeschafft wird, auch wenn er selbst sicher ehelos bliebe. Auch Frauenpriestertum ist für ihn vorstellbar und noch vieles Andere, das derzeit nicht gegeben ist. Er präsentiert die katholische Kirche so, wie sie sein könnte. Er ist ein Vorbild für all jene, die sich in den Dienst der Kirche stellen, und etwas bewirken wollen. Dafür gebührt ihm tiefster Respekt und Dank.
© Jürgen Heimlich 2020-12-01