von Ulrima
„Mami, spielen wir mit meinen Kuscheltieren?“, fragt mich mein kleiner Sohn während ich das Mittagessen koche. Das Spiel sieht so aus, dass er mich jedes Mal fragt, welches Haustier ich gerne hätte. Ich antworte ihm indem ich immer eines seiner Kuscheltiere nenne und schwuppdiwupps sitzen hier Löwen, Eulen, Bären und Affen am Küchentisch. Schön langsam gehen mir die Ideen aus, doch da fällt mir ein, dass ich mir ja noch gar keinen Hasen gewünscht habe. Gedacht, getan.
Da kommt er mit einem blauen Hasen in die Küche. „Hier Mama.“ Hm, den Hasen möchte ich nicht. Ich meine einen richtigen Hasen!“ Zurück ins Zimmer geflitzt, kommt er mit einem noch blaueren Hasen zurück. Ich frage mich gerade wie viele blaue Kuschelhasen man eigentlich besitzen kann. „Nein, den möchte ich auch nicht, ich möchte einen richtigen Hasen, einen braunen oder so!“
„Hm, Mama, das ist doch auch ein richtiger Hase, siehst du das nicht!“ Ich bleibe stur, ich kenne ja das Kuschelhasen-Sortiment meines Buben und habe einen ganz bestimmten Hasen im Kopf. Da steht er nun mit einem Hasen mit Glitzer-Glubschaugen vor mir, den ich natürlich auch nicht gemeint habe. „Also das ist auch kein richtiger Hase, welcher Hase hat denn schon solche Glitzeraugen?“
„Also Mama, jetzt reicht es aber, diesen Hasen nimmst du jetzt!“, sagt er und sieht mich sehr skeptisch und leicht verärgert an.
„Und überhaupt, was heißt hier kein richtiger Hase? Jeder Hase ist ein Hase, egal ob blau, Glitzeraugen oder was auch immer dir sonst nicht passt.“
Da stehe ich nun, mit meinem Kochlöffel in der Hand und schaue ihn verdutzt an, noch nicht ganz im Klaren darüber, was ich hier jetzt falsch gemacht habe.
„Mama, das ist doch wie bei den Menschen. Die sehen auch alle anders aus und sind auch richtige Menschen. Sie haben auch nicht alle die gleiche Farbe, oder die gleichen Augen. Das sagst du doch immer Mama!“
Jetzt fällt mir fast der Kochlöffel aus der Hand. Sprachlos bin ich und gerührt und außerordentlich stolz. Aber auch ein bisschen beschämt und eigentlich sehr überrascht, was aus einem harmlosen Spiel entstehen kann. Wie leicht man mit ein paar unbedachten Sätzen Wirkung erzielt und in Kindern Einstellungen und Glaubenssätze manifestiert. Und wie wichtig es ist, all diese Themen mit seinen Kindern zu besprechen, egal wie klein sie sind und dass fast alles in ihnen schon vorhanden ist und wir meist mehr von ihnen lernen können als sie von uns.
Da sitzen wir nun auf der Picknick-Decke am Vorzimmerboden mit all unseren „Haustieren“ und plaudern darüber, wie schöne, besondere und glänzende Augen der Glitzerhase hat, wie frech der Hellblaue aussieht und dass der dunkelblaue ganz sicher der Osterhase ist, weil er eine Latzhose trägt. Und wie wunderbar und spannend es ist, dass jeder von ihnen ganz anders aussieht, sowie wir Menschen auch.
Photo by jelleke vanootheghem @unsplash
© Ulrima 2020-08-19