Ich habe einen Nachbarn, der auf spezielle Weise zu der herrlichen Welt gehört, die mich umgibt. Er ist nicht nur ein fanatischer Grillmeister, der sehr oft nachmittags im Sommer im Garten seines Amtes waltet und dem von seinen Gästen keiner hilfreich zur Hand zu gehen wagt, weil er sie beim bloßen Versuch schon mit spitzem Grillwerkzeug fuchtelnd einzuschüchtern pflegt. Nein, er ist auch ein leidenschaftlicher Gärtner, der seinen von millimetergenau rasierten Thujen begrenzten Garten so innig liebt, dass ihm für diesen nur das Beste gut genug ist. Früher war der traktorähnliche Rasenmäher sein Stolz, und es kommt sicher selten vor, dass in einem so kleinen Garten in einem so ruhigen Wohnviertel ein so großes Gefährt, das solchen Lärm macht, Verwendung findet. Mein Nachbar als ein sehr gesetzestreuer Mensch steigt um Punkt zwölf von seinem Rasenmäher, lässt den Motor laufen und hält sich bis
2 Uhr aus Gründen der Mittagsruhe im Haus auf, um dann genau um 14 Uhr wieder vier Meter geradeaus und dann zwei Meter nach links zu fahren, wo ihm eine Tanne den Weg versperrt.
Letztes Jahr aber war alles anders. Er hat sich einfach was Neues einfallen lassen, und dies hatte zur Folge, dass wir uns eine Zeit lang in alter Rivalität nicht aus den Augen gelassen haben. Ich schaute hinter dem Vorhang meines Arbeitszimmers fasziniert in den Nachbargarten hinüber. Seine Neuanschaffung schaut ein bisschen aus wie ein Staubsauger, aber er saugt nicht, sondern bläst. Mit diesem Staubsauger, der die Dinge nicht einsaugt, sondern vor sich her bläst, schreitet er seither täglich einmal auf dem Gehsteig die Grenze seines Grundstücks ab und mehrmals in der Woche in seinem Garten herum. Das Gerät gibt ein durchdringendes Geräusch von sich, nicht unähnlich dem einer Schiffssirene, nur ist dieses Tuten lang anhaltend, genau genommen hält es so lange an, bis man den ganzen Apparat, der mit seinem Tuten und Blasen identisch ist, abschaltet. Nun kauft aber bekanntlich niemand ein Gerät, um es abzuschalten, er kauft es, damit er es einschalten und damit arbeiten kann. Bei diesem besteht die Arbeit darin, das Laub, das auf der Straße oder dem Rasen liegt, tutend vor sich herzublasen, bis es einen Laubhaufen gibt (ich verstehe auch auf einmal das geflügelte Wort, wonach einer von Tuten und Blasen keine Ahnung habe). Warum man das Laub im Garten nicht gleich mit einem Rechen und auf dem Gehsteig mit dem Besen aufhäuft?
Der Garten ist ein Stück Natur, dessen sich der Gärtner in der Stadt erfreuen will. Aber die Natur an und für sich erfreut ihn nicht, denn schließlich sind wir alle ökonomische Wesen. So gesehen ist es paradoxerweise notwendig, die Natur zu motorisieren, um zu ihr zu gelangen: sei es, dass wir mit dem Auto immer weiter hinaus ins Gelände fahren, um endlich in der Einschicht anzukommen, sei es, dass wir sie mit Rasenmäher oder der Schiffssirene /Laubbläser traktieren.
© Hermann Exenberger 2023-03-24