von Amina Welt
Wenn aus einem emotional vollen inneren Bücherregal ein aufgeräumtes mit nur einem dickeren Buch mit dem Titel: Vergangenheit und einem dünneren, mit dem Titel: Mutter, Mutti, Mama, Mamabär, Muz – je nach Empfinden und Tagesverfassung werden soll, bedarf es einer Entscheidung. Und ja, ich will. Die Zeit ist reif. Und ich bin es auch. Das Extra-Buch bedarf noch seines Platzes. Hat etwas mit Druck auf beiden Seiten zu tun, denke ich. Wir wissen beide nicht so recht, wie wir miteinander sprechen sollen. Meist gleicht ein Treffen einem Tanz auf rohen Eiern. Niemand will den anderen verletzen oder alte Wunden aufkratzen. Es ist ein Mix aus Scham, Wut, Traurigkeit und Angst. Es ist alles andere als leicht. Für beide. Ich fühle, was raus muss, muss raus. Sonst empfinde ich dieses: Es muss raus, meist nach dem Essen. Aber was soll ich sagen, ich bin in Köln, wohne in der 35. Wohnung. Diesmal für 6 Wochen. Wieder nur ein vorübergehendes zu Hause. Von der Firma extra für mich angemietet. Ist mir wichtig, dies nebenher zu erwähnen – untermauert Erfolg und Prestige . Das ist nun Mal etwas wert. Unterstreicht ja auch mein MehrSein, oder?
Unter mir direkt eine Bar. Es ist laut. Und das an jedem Abend. Ich will nach Hause. Ja, ich kann defintiv zum ersten Mal in meinem Leben behaupten: Ich habe Heimweh. Ein neues Gefühl. Ein erdrückendes. Zunächst. Denn seit dem Corona Lockdown habe ich mir bei solch derartig beklemmenden Emotionen ein neues Tool angeeignet. Anstatt ungesundes Essen in Massen zu kaufen und es hinunter zu schlucken. Mit Es sind die, wie durch ein metaphorisches Wunder umgewandelten Gefühle in Essen zu verstehen. Nur ein kurzes Betätigen eines Auslösers ist notwendig und somit ein Weg nach draußen geschaffen. Oder in meinem Fall ein Weg, egal wohin: Öffentliche Straßen, Mülleimer, versteckt in Parks, hinter Autos – überall. Hauptsache aus meinem tiefsten Inneren raus. Dieses entspannte Gefühl danach. Oftmals am Tag, wenn nötig und die damit konditionierte Freiheit empfinden. Es ist, als würde all das Ungesagte in einem Schwall allerdings ohne Gegenwehr aus mir raus kommen. Ich liebe diesen entladenen Zustand des Seins. Dank völliger Erschöpfung, endlich Ruhe. Und diese Leere. Diese angenehm wohlwollende und sichere Stille, in welcher ich Nichts falsch mache, da ich Nichts machen kann. Jetzt kenne ich eine neue füllende Stille: Ein gehaltvolles Nichts, die Meditation. Vielleicht ein neues Tool, um meine alte Gewohnheit abzulösen? In mich zu gehen, gibt mir zeitweise sogar mehr. Ist das ein neues MehrSein? Doch nach innen gerichtet, warten die ganz persönlichen Dämonen. Da steht man dann plötzlich im Supermarkt und merkt nach 45 Minuten, dass man gar nicht weiß, was man gerne isst, wenn es nicht wieder raus soll. Eines meiner 10 unmöglichen Dinge zu diesem Zeitpunkt: Rein ins Wagerl, wieder raus, eine Runde drehen und wieder rein. Wie ein Drageekeksi: Wenn ich nur aufhör`n könnt.
© Amina Welt 2022-05-05